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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihr Vater tot sei. Sie tat nichts, was ein Zeichen ihrer kindlichen Liebe gewesen wäre. Es war ihr zumute, als ob sie selbst tot sei. Der falsche Mut war verschwunden.
    Jetzt untersuchte Holm den Einsiedler. Er meinte:
    „Dieser scheint noch nicht tot zu sein, sondern nur besinnungslos. Er atmet, wenn auch so leise, daß man es kaum bemerkt.“
    „Ziehen Sie ihm das Messer aus dem Rücken!“ sagte Robert Bertram wohlmeinend.
    „Werde mich hüten! Dann verblutet er sich vielleicht in kurzer Zeit. Wir müssen versuchen, ihn in dem gegenwärtigen Zustande wenigstens so lange zu erhalten, bis ein Arzt gekommen ist. Horch! Hören Sie nicht jemand rufen?“
    „Ja. Jetzt wieder.“
    „Herr Holm!“ erklang es unten.
    Und zugleich erhob der Hund unten an der Treppe ein lautes Wutgeheul. Holm trat an das Fenster und fragte, wer unten sei.
    „Ich, Hagenau“, antwortete es.
    „Kommen Sie herauf, hier!“
    „Gleich! Ah, da ist ja eine Leiter! Was ist geschehen? Gibt es noch Gefahr da oben?“
    „Nein. Es ist vorüber.“
    „Na, warten sie!“
    Der Oberleutnant schob sich zum Fenster herein und sprang von da herab auf die Diele. Er warf einen Blick in der Kammer umher und sagte dann erschrocken:
    „Alle Teufel! Zwei Leichen! Was ist geschehen?“
    Holm erzählte ihm den ganzen Vorgang und fragte dann:
    „Wie aber kommen Sie hierher, Herr von Hagenau?“
    „Wir hörten Ihren Schuß. Wir wußten, daß Sie nach dem Turm waren und keine Waffen bei sich hatten. Da glaubten wir natürlich, daß auf Sie geschossen worden sei und machten uns schleunigst auf die Socken, um Ihnen womöglich Hilfe zu bringen.“
    „Sie, der Verwundete!“
    „Pah! Wird nicht ans Leben gehen! Aber gibt es hier eine Masse Geld! Alle Wetter! Dieses Dämchen wollen wir festhalten. Sie soll nicht sogleich wieder an das Heiraten denken. Eigentlich war der Alte keinen Schuß Pulver wert. Sie hätten sich diese Mühe ersparen können!“
    „Ich mußte schießen, um dem anderen womöglich das Leben zu erhalten.“
    „Aber ob er lebt?“
    Da erklang es leise von da her, wo Winter lag:
    „Ich – ich – lebe.“
    „Er spricht!“ sagte Hagenau. „Sehen wir nach!“
    Er trat zu dem Einsiedler, welcher auf der Diele lag, mit dem Rücken, in welchem das Messer stak, nach oben gerichtet. Er bog sich nieder und fragte ihn:
    „Sie leben? Sie hören, was wir sprechen?“
    „Ja.“
    „Wissen Sie, was geschehen ist?“
    „Ja.“
    „So haben Sie Ihre volle Besinnung?“
    „Vollkommen.“
    Er antwortete allerdings nicht geläufig, sondern langsam und so Atem holend, daß es fast wie Pfeifen klang.
    „Wollen Sie nicht aufstehen?“ fuhr Hagenau fort. „Kommen Sie, ich will Ihnen helfen.“
    „Ich kann nicht, es geht nicht, ich kann kein Glied bewegen. Das Messer –“
    „Sapperment! Ich bin kein Wundarzt und Quacksalber, aber vielleicht hat das Messer gerade einen Bewegungsnerv getroffen oder so etwas Derartiges. Wir wollen es doch herausziehen.“
    „Nein!“ bat der Verwundete. „Dann ist's aus, dann verblute ich mich. Oh, dieser Schuft; dieser – dieser – wo ist seine Tochter?“
    „Hier sitzt sie.“
    „Dann wünsche ich, daß der tausendfache Teufel –“
    Er zwang sich mit ganzer Gewalt zu einer Bewegung, er brachte sie nicht fertig. Die Folge dieser Anstrengung war ein Blutstrom, welcher ihm aus dem Mund quoll und ihn fast erstickte.
    Die drei Männer eilten herbei, um ihn zu unterstützen. Er brachte längere Zeit kein Wort hervor. Sein Blick wurde starr, sein Gesicht färbte sich braunrot. Nach und nach erholte er sich wieder, aber so deutlich wie vorhin vermochte er nicht wieder zu sprechen. Sie verstanden kaum, was er flüsterte:
    „Telegraph – Telegraph – schnell – schnell!“
    „Wir sollen telegraphieren?“ fragte Holm.
    „Ja“, hauchte er.
    „Wohin?“
    „Residenz.“
    „An wen?“
    „Hauck – Paukenschläger.“
    „Den kenne ich!“ sagte Doktor Holm überrascht. „Was sollen wir ihm telegraphieren?“
    „Gleich kommen – ich heiße nicht Winter – sondern auch – auch Hauck – ah!“
    Nach dem vorhergehenden Blutverlust hatte ihn das Sprechen zu sehr angestrengt; er verlor die Besinnung. Die drei traten zusammen, um von Theodolinde nicht gehört zu werden. Holm fragte den Leutnant:
    „Was tun wir mit der Gefangenen und ihrem Vater?“
    „Beide bleiben hier, das wird das beste sein. Sie müssen warten, bis die Gerichte kommen. Es soll hier alles in dem Zustand erhalten bleiben, in

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