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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gefaßt hatte, seine Tochter zu holen, um mit ihr zu fliehen, hatte er keine Zeit zu einer ausführlichen Erklärung oder Auseinandersetzung. Er konnte ihr nur sagen, daß alles entdeckt sei und sie fliehen müßten. Er nahm sein Geld, welches er noch besaß, zu sich; sie raffte einige Wertsachen in ein Bündel zusammen und folgte ihm.
    Der Einsiedler war ihnen voraus; jetzt, indem sie ihm folgten, konnten sie miteinander sprechen.
    „Ich begreife dich nicht“, sagte sie, vor eiligem Laufen fast atemlos. „Fliehen? Alles im Stich lassen? Das Schloß, alle unsere Besitzungen!“
    „Ja, ja, wir müssen, wenn wir nicht ins Zuchthaus wollen.“
    „Wer hat uns denn belauscht?“
    „Die beiden Kerls, welche mit uns in der Post saßen und die ich dann im Wald traf. Sie sind auf einer Leiter in das Nebenzimmer gestiegen.“
    Er erklärte ihr in aller Eile alles, auch den Kampf und daß noch ein Dritter und sogar zwei Frauenzimmer dabeigewesen seien.
    „So sind diese Menschen Polizisten“, sagte die Tochter.
    „Jedenfalls. Sie sind uns schon von der Residenz aus gefolgt; sie müssen uns also bereits dort beobachtet und alles erfahren und gewußt haben. Es bleibt uns gar nichts übrig, als Flucht auf Nimmerwiederkehr.“
    „Herr Gott! Aber Geld, Geld!“
    „Sei nicht dumm! Dieser Winter hat Geld!“
    „Ah, ja! Er ist ganz verschossen in mich. Er schafft Geld, und dann, dann –“
    Sie wollte ihren Gedanken nicht sofort Worte geben; aber ihr Vater erriet sie entweder oder hatte er ganz dieselbe Ansicht, denn er vervollständigte ihre Rede:
    „Und dann lassen wir ihn sitzen!“
    „Aber er wird mitwollen!“
    „Das kann er. Es wird uns zu jeder Zeit leicht sein, ihn zu verlassen.“
    „Oder – ah, wenn ich ein Mann wäre!“
    „Was dann?“
    „Er bleib hier und nur sein Geld ging mit.“
    „Wird sich bedanken!“
    „Muß, muß! Ein Schuß! Ein Messerstich!“
    „Ah, so meinst du es!“
    „Ja. Aber ich bin leider kein Mann und auch du bist keiner. Auf dich kann man sich nicht verlassen.“
    „Oho! In einer solchen Lage ist mir alles gleich. Wir müssen fort, müssen alles hinter uns lassen, unsere Besitzungen, unseren Namen, unseren Adel, unsere Ahnen. Wir müssen die Mittel zu einer neuen und keineswegs armseligen, sorgenvollen Existenz haben. Ich werde die Mittel da wegnehmen, wo ich sie finde.“
    „Ich werde sehen, ob du wirklich den Mut dazu hast. Da vorn läuft einer. Das ist Winter, mein heißgeliebter Bräutigam. Wollen machen, daß wir ihn einholen. Dann wird sich ja finden, was zu tun ist.“
    Da er langsam ging, erreichten sie ihn sehr bald. Er knurrte vergnügt vor sich hin, als er bemerkte, daß der Freiherr wirklich die Tochter mitbrachte. Jetzt war sie sein, das war gewiß. Eine Flüchtige, ohne Geld, ohne alle Mittel, sie mußte sich auf ihn verlassen, sie hing nun nur von ihm ab. Das schöne, üppige Mädchen gehörte nun ihm.
    „Hat man Sie gesehen?“ fragte er, sich zu ihnen zurückwendend.
    „Einige von der Dienerschaft“, antwortete der Freiherr.
    „Aber man weiß nicht, wohin Sie sind?“
    „Nein. Kein Mensch kann eine Ahnung haben, außer Daniel, weil der weiß, daß Sie bei mir gewesen sind.“
    „Kommen Sie nur! Bei mir sind Sie sicher.“
    „Hm! Wenn man Daniel zum Sprechen bringt, so wird man unsere Fährte finden.“
    „Ich verstecke Sie im Turm. Es ist ein alter Keller sehr komfortabel darin, es gibt da Ratten, Spinnen und Kröten und ähnliches Viehzeug, aber man ist desto sicherer aufgehoben.“
    „Pfui!“ meinte Theodolinde. „Da hinein bringen Sie mich auf keinen Fall.“
    „Mich auch nicht“, stimmte ihr Vater bei. „Wir können überhaupt nicht bleiben. Wir müssen fort, schleunigst fort, noch während dieser Nacht.“
    „Wohin denn?“
    „Das werden wir überlegen.“
    „Gut. Überlegen wir es. Dort sehe ich den Turm. Kommen Sie. Dort können wir eher sprechen als hier.“
    Sie wurden von dem Geknurr des Hundes empfangen, doch schwieg das Tier, sobald es seinen Herrn witterte.
    „Bleib hier außen vor der Tür!“ befahl dieser. „Du mußt aufpassen!“ Und zu den beiden gewendet, erklärte er: „Solange der Hund vor der Tür hält, sind wir sicher. Er wird die Nähe eines jeden Menschen anzeigen und den Allzukühnen, welcher sich den Zutritt erzwingen wollte, ganz sicher zerreißen.“
    Er zog den Schlüssel hervor und schloß auf. Als sie eingetreten waren, schloß er wieder zu und schob überdies einen starken Riegel vor. Da es ganz dunkel war,

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