Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
welchem wir es gefunden haben. Wir müssen einmal telegraphieren, und depeschieren dabei gleich mit an die Staatsanwaltschaft.“
    „Wer führt die Aufsicht hier bis dahin?“
    „Das mag Herr Bertram übernehmen. Ich habe einige handfeste Kerls mitgebracht, welche unten warten. Ich muß nach Hause. Ich fühle, daß meine Wunde denn doch nicht so ganz ohne ist. Da werde ich einen Boten mit der Depesche nach dem Telegraphenbüro schicken.“
    „Lassen Sie mich das Telegramm verfassen. Ich weiß, an wen es gerichtet werden und wie es lauten muß.“
    „Tun Sie es.“
    Holm riß ein Blatt aus seinem Notizbuche und schrieb:
    „Dem Fürsten von Befour.
    Sofort Extrazug – nach Grünbach kommen, Station Wildau – von da besorge ich Pferde. Robert Bertrams Kette geraubt – mehrere Gefangene – Staatsanwalt, Assessor Schubert und Paukenschläger Hauck mitbringen.“
    Alles übrige wurde in Eile besprochen, dann wurden die Wächter heraufgeholt, wobei allerdings der Hund nur schwer zur Ruhe gebracht werden konnte. Hagenau begab sich mit Holm nach dem Schloß zurück.
    Der letztere wurde von Braut und Schwester mit außerordentlicher Freude empfangen. Dabei bemerkten sie gar nicht, daß der Oberleutnant ganz entkräftet auf das Sofa sank. Erst nach einer Weile fiel Hildas Blick auf sein blutleeres, totenbleiches Angesicht. Sie stieß einen Laut des Schrecks aus, eilte zu ihm, ergriff seine Hand und fragte:
    „Was ist mit Ihnen, Herr von Hagenau? Befinden Sie sich schlimmer?“
    Er zwang sich zu einem Lächeln und antwortete:
    „Es war mir wunderlich – so schwach. Aber jetzt, da Sie meine Hand halten, bin ich stark, sehr stark.“
    „O nein! Sie sind sehr schwach. Sie haben sich zu sehr angegriffen. Sie hätten uns gehorchen und nicht nach dem Turm gehen sollen.“
    „Hm, ja! Als ich dort so hoch am Fenster herabsprang, da ist etwas in der Wunde geschehen. Ich fühlte es gleich. Man hat hier Pferde und Wagen. Ich werde mich nach Hause bringen lassen. Wir haben da auch so einen alten Diener Daniel wie hier, der wird mich pflegen.“
    „Ein Diener? Nein. Ich gehe mit!“
    Sie sagte das in so entschlossenem Ton, als ob es sich ganz von selbst verstehe. Hagenaus Blick bekam Leben, begann beinahe zu leuchten.
    „Sie wollen mit? Wirklich?“ fragte er.
    „Ja. Ich bin es Ihnen schuldig. Wir haben Ihnen Veranlassung gegeben, mit uns zu gehen. Sie sind infolgedessen verwundet worden. Sie haben keine Mutter, keine Schwester – ich fahre mit!“
    Er blickte zu ihrem Bruder hin und fragte:
    „Sie hören es, Herr Doktor. Was sagen Sie dazu?“
    „Sie hat recht. Wären Sie nicht gekommen, so sähe es schlimm mit uns aus. Sie haben uns das Leben gerettet. Ihnen Pflege bieten, das ist so wenig, was wir tun können – leider! Ich hoffe, daß Sie das Anerbieten der Schwester nicht zurückweisen.“
    „Zurückweisen?“ lächelte Hagenau ganz glücklich. „Das fällt mir nicht ein. Ich habe sehr viele Dummheiten begangen, diese aber wäre die allergrößte, und so will ich sie unterlassen. Wer aber führt denn hier im Schloß die Aufsicht?“
    „Ich bleibe hier. Sie dürfen glauben, daß alles geschehen wird, wie es geschehen soll. Aber die Depesche, welche Sie besorgen wollten, Herr Oberleutnant?“
    „Wird besorgt, trotzdem ich verwundet bin; darauf können Sie sich verlassen.“
    Kurze Zeit später hielt ein Kutschwagen vor dem Tor. Hagenau stieg ein, und Hilda setzte sich ihm gegenüber. Es wurde unterwegs kein Wort gesprochen. Erst als der Wagen im Hof des Schlosses Reitzenhain hielt, hörte das Mädchen das erste Wort:
    „Was ist – wo sind wir?“
    „Daheim bei Ihnen, Herr Oberleutnant“, antwortete sie.
    „Ah – so! – Verzeihen Sie! Ich muß wirklich schwächer sein, als ich angenommen habe. Ich weiß von der ganzen Fuhre nichts. Ich muß ohnmächtig geworden sein. Und da, da ist es naß. Ich glaube, daß ich blute.“
    Niemand hatte von dem Vorhaben Hagenaus gewußt. Die Bewohner des Schlosses schliefen. Der Portier kam schnell herbei und erhielt seine Befehle. Hagenau verbot, seinen Vater zu wecken; aber er schickte sofort nach dem Badearzt und sandte auch einen Boten mit der Depesche fort.
    Als der Verwundete in seinem Zimmer ankam und sich untersuchen ließ, zeigte es sich, daß sich der Verband gelockert hatte. Dann kam der Arzt, welcher die Wunde kunstgerecht behandelte. Er beruhigte den Kranken. Er sagte, die Wunde sei gar nicht gefährlich, nur sei der Blutverlust ein bedeutender gewesen.

Weitere Kostenlose Bücher