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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie denken, er hat es verstanden?“
    „Sehr gut.“
    „Sie meinen, daß er simuliert, daß er sich verstellt?“
    „Ganz gewiß. Ich werde es Ihnen morgen oder bald beweisen. Als ich ihm die Hand zusammenpreßte, mußte er sich alle Mühe geben, um nicht aufzuschreien. Er wurde ganz rot im Gesicht. Das ist genug für mich.“
    „Hatten Sie etwas mit ihm vor?“
    „Ja, doch es ist vergeblich. In welcher Zelle sitzt sein Dienstmädchen, die doch auch gefänglich eingezogen ist?“
    „Frauenabteilung Nummer Drei.“
    „Danke. Ich will Sie nicht belästigen. Die Schließerin kennt mich ja. Guten Abend!“
    Er begab sich nach der betreffenden Abteilung und hörte von der Schließerin, daß die Gefangene seit einiger Zeit mitteilsamer geworden sei. Er ließ sich die Zelle öffnen. Es war dunkel darin. Er nahm ein Licht und trat allein ein.
    Die Gefangene hatte bereits auf dem Strohsack gelegen, welcher bei Beginn der Dunkelheit in die Zelle gegeben wurde. Sie erhob sich.
    „Kennen Sie mich?“ fragte er.
    „Nein.“
    „Es ist auch unnötig, denn ich komme nur in einer privaten Angelegenheit, um bei Ihnen eine Erkundigung einzuziehen.“
    „Ich sage nichts.“
    „Sie mißverstehen meine Absicht. Meine Gegenwart hat mit Ihren Akten gar nichts zu tun.“
    „Was wollen Sie?“
    „Schuberts wollen ihren Jungen gern wiederhaben.“
    Er hatte nur auf den Strauch geschlagen, aber es glückte, denn sie antwortete sofort:
    „Da mögen sie ihn sich doch holen!“
    „Sie wissen ja gar nicht, wo er ist!“
    „Hat Seidelmann es Ihnen nicht gesagt?“
    „Nein, weil die Eltern gänzlich verzichten sollten.“
    „Mir kann es gleich sein, ob sie ihn wiederbekommen oder nicht. Aber er wird seine hundertzwanzig Gulden wieder verlangen.“
    „Die er Seidelmann gegeben hat?“
    „Ja.“
    „So erhält er sie. Wer ist es denn?“
    „Der Zirkusdirektor.“
    „Sie meinen den Direktor des hiesigen ständigen Zirkus. Nicht wahr?“
    „Ja.“
    „Ich danke. Gute Nacht.“
    „Gute Nacht. Gott sei Dank, das war doch wenigstens einmal kein Polizist!“
    Diese Worte hörte er noch.
    Als er nun durch die Stadt nach dem Zirkus ging, war es ihm, als ob er von seiner Ahnung nicht betrogen worden sei. Er wollte sich nun volle Sicherheit holen.
    Er kannte die Verhältnisse des Zirkus sehr genau. Er hatte sich mit einer früheren Schulreiterin befreundet, welche jetzt, da sie alt und abgeblüht war, nun zu allerlei Nebenleistungen verwendet wurde, durch welche sie sich beleidigt fühlte. Sie war nicht mehr geachtet und hatte ein sehr geringes Einkommen. Das hatte sie erbittert, und nun war sie leicht geneigt, gegen ihren Prinzipal zu konspirieren, was Anton bereits öfters zustatten gekommen war.
    Er hatte freien Zutritt. Die Zeit der Proben war vorüber, und diejenige der Vorstellung noch nicht gekommen. Er schlenderte also durch die leeren Räume und nach dem Stall, ohne sie zu sehen.
    Eine Ecke des Baus wurde während der Vorstellung als Restauration benutzt. Dort endlich fand er sie, bei einem großen Schnapsglas sitzend. Sie winkte ihm mit der Hand einen Gruß entgegen und bedeutete ihm, sich zu ihr zu setzen.
    „Nichts zu tun?“ fragte er.
    „Ich? Was soll ich tun? Wozu braucht man mich?“
    „Na, na!“
    „Was denn? Sie sagen, ich sei zu alt!“
    „Das ist nicht wahr.“
    „Warum haben sie mir denn wieder für den Monat fünf Gulden abgezogen?“
    „Schon wieder?“
    „Ja. Ich kann verhungern!“
    „Das ist schändlich!“
    „Vor zehn Jahren, ja, da poussierte er mich noch.“
    „Der Esel! Sie sind jetzt noch ebenso appetitlich!“
    „Meinen Sie?“
    „Eine geistreiche Frau wird nie alt.“
    „Sie sind der einzige gescheite Kerl, den ich kenne! Aber es nützt mir nichts. Wenn man halb verhungert, wo soll man da noch schön und appetitlich sein. Eine Frau muß Formen haben; der Hunger aber zehrt.“
    „Na, hungern werden Sie doch nicht gerade!“
    „Nicht? Habe ich etwa heute schon etwas gegessen?“
    „Wirklich nicht?“
    „Nein. Einige Gläser Schnaps, das ist alles, was mir über die Lippen gekommen ist.“
    „Du lieber Gott! Ich wollte, ich wäre reich.“
    „Ja, Sie würden es anwenden. Sie würden mir ganz gewiß etwas borgen.“
    „Ja, denn ich habe ein ganz eigentümliches Interesse für Sie.“
    „Könnten Sie denn nicht wenigstens etwas tun?“
    „Wohl nicht. Gerade heute nicht.“
    „Warum gerade heute nicht?“
    „Weil ich mich ganz ausgegeben habe. Und wenn Sie mich aufschneiden, so finden

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