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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Künstler wollte den Jungen an Kindes statt annehmen. Wir sollten ganz verzichten. Um unser Kind glücklich zu machen, willigten wir ein.“
    „Erhielten Sie etwas?“
    „Ja.“
    „Wieviel?“
    „Zehn Gulden.“
    „So wenig? Von einem großen Künstler? Wenn so einer einmal zahlt, gibt er mehr.“
    „Wir waren froh, daß wir soviel erhielten. Ich lag krank da. Mein Mann hatte sich ins Bein gehackt und konnte nicht arbeiten. Meine Kinder sollten auf dem Weihnachtsmarkt feilhalten, wurden aber arretiert, weil sie gebettelt hätten, wir erhielten Strafe. Da kam uns die Summe sehr gelegen.“
    „So, so! Also vor Weihnachten war es?“
    „Ja.“
    „Wie alt war der Junge?“
    „Gegen fünf Jahre.“
    „Welches Haar?“
    „Blond. Er war überhaupt ein Bild von einem Jungen, sehr gut gewachsen. Ich habe sehr viel geweint, ehe ich mich an seine Abwesenheit gewöhnen konnte.“
    „Haben Sie nichts wieder von ihm gehört?“
    „Nie.“
    „Ist er nach auswärts gekommen?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Aber Sie wissen, welch ein Künstler der Betreffende war? Es gibt sehr verschiedene Künste.“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Was? Auch das hat Ihnen Seidelmann nicht gesagt?“
    „Nein.“
    „Dann haben Sie im höchsten Grad unverantwortlich gegen Ihr Kind gehandelt. Bedenken Sie, daß ein Kartenschläger, ein Seiltänzer sich auch Künstler nennt. Wie nun, wenn Ihr schöner Knabe einem solchen Menschen in die Hände gefallen wäre! Solche Menschen pflegen ihre Ziehkinder schlimmer zu behandeln als das Vieh.“
    „Das wird Herr Seidelmann doch nicht getan haben!“
    „Kennen Sie diesen Herrn so wenig?“
    „Er war so gottesfürchtig, so fromm!“
    „Ach so! Gute Nacht!“
    Er eilte fort. Es war ihm, als ob er einen Faden gefunden habe, den er verfolgen müsse. Er begab sich nach dem Gerichtsgebäude, und zwar da zu dem Wachtmeister Uhlig.
    „Ist Seidelmann von Rollenburg gebracht worden?“ fragte er diesen.
    „Ja, heute.“
    „In welchem Zustand?“
    „Ganz apathisch.“
    „Hört er?“
    „Wie es scheint nicht.“
    „Wie steht es mit dem Gesicht?“
    „Er stiert nur so vor sich hin.“
    „Das Gefühl?“
    „Wenn man ihn angreift, merkt er es.“
    „Spricht er?“
    „Kein Wort.“
    „Essen und trinken?“
    „Er muß gefüttert werden wie ein Säugling.“
    „Hm! Führen Sie mich einmal zu ihm. Er hat doch eine Zelle für sich?“
    „Nein. Er liegt auf der Krankenstation.“
    „Wer hat das befohlen?“
    „Der Gerichtsarzt.“
    „Er wird sich doch nicht etwa von diesem schlauen Menschen täuschen lassen?“
    „Ich habe ihn auch gewarnt.“
    „Dieser Arzt ist überhaupt kein großes Lumen. Das haben wir gesehen, als damals der unschuldige Robert Bertram interniert war. Bitte, führen Sie mich einmal zu diesem frommen Patienten.“
    Sie gingen durch mehrere Gänge, bis sie in ein wohlverwahrtes Zimmer gelangten, in welchem mehrere Betten standen. Die Fenster waren stark vergittert und die Türen mit Riegeln und festen Schlössern versehen. Es befand sich nur ein einziger Patient hier und das war Seidelmann. Der Wärter saß an seinem Bett.
    „Hat sich etwas geändert?“ fragte der Wachtmeister.
    „Nein.“
    Anton trat an das Bett. Er erkannte den frommen Schuster sofort wieder, obgleich derselbe bleich und abgemagert aussah. Der Hieb, welchen Petermann ihm mit der Weinflasche versetzt hatte, war verhängnisvoll gewesen. Er hatte lange Zeit mit dem Tod gerungen, und noch jetzt lautete das ärztliche Gutachten dahin, daß er die Fähigkeit zu denken noch nicht wiedererlangt habe.
    Sein blödes, ausdrucksloses Auge stierte geradeaus. Er schien die Anwesenden gar nicht zu bemerken.
    „Herr Seidelmann!“ sagte Anton.
    Der Gerufene gab kein Lebenszeichen von sich. Anton hielt ihm den Mund ganz nahe an das Ohr und rief laut:
    „Hören Sie mich?“
    Keine Antwort.
    Da faßte er ihn bei der Hand und preßte ihm die Finger mit aller Gewalt zusammen. Das bleiche Gesicht färbte sich rot, weiter war nichts zu bemerken.
    „Der Kerl ist schon dreiviertel tot“, sagte er. „An dem ist jede Arznei verloren. Kommen Sie!“
    Der Wachtmeister folgte ihm und sagte draußen:
    „Man hätte ihn in Rollenburg lassen können.“
    „Warum?“
    „Es ist gleich, ob er hier stirbt oder dort.“
    „Meinen Sie? Lassen Sie sich nicht täuschen, Herr Wachtmeister. Seien Sie vorsichtig!“
    „Sie sagten doch selbst, daß er dreiviertel tot sei!“
    „In seiner Gegenwart, um ihn sicher zu machen.“
    „Ah!

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