65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
der Ewigkeit. Was Sie unbereut mit hinüber nehmen, werden Sie im Jenseits noch schwer zu tragen haben.“
„Ja.“
„Ich meine, ob Sie beichten wollen?“
„Ja.“
„Wir sind nicht allein. Der Herr Untersuchungsrichter befindet sich mit zugegen. Wünschen Sie, daß er sich entferne?“
„Nein.“
„Nun gut. So lassen Sie uns zunächst zum Allbarmherzigen beten, daß er Ihr Herz öffne, damit Sie in Reue alles dessen gedenken, was Sie verbrochen haben.“
Er kniete vor dem Bett nieder und betete laut. Dann erhob er sich und sagte:
„Ich bin nicht allwissend und kann nicht Herzen und Nieren prüfen; darum ist es mir unmöglich, Sie zu fragen. Sagen Sie selbst mir alle Punkte, welche Sie von Herzen bereuen, und für welche Sie Vergebung erheischen!“
Es war eine tiefe, weihevolle Stille in der Zelle. Der Untersuchungsrichter war näher getreten, um die leise Stimme des Beichtenden verstehen zu können. Er war im höchsten Grad gespannt auf die Bekenntnisse, welche derselbe machen werde. So warteten die beiden Beamten; aber der Sterbende schwieg. Er ließ kein Wort hören.
„Haben Sie mich verstanden?“ fragte endlich der Pfarrer.
„Ja.“
„Also, was haben Sie uns zu bekennen?“
„Nichts.“
Er sagte das in einem sehr eigentümlichen Ton. Der Assessor raunte dem Geistlichen zu:
„Das klang ja fast wie Hohn!“
„O nein“, antwortete dieser ebenso leise. „Ein Sterbender und Hohn, das wäre ja entsetzlich!“
„Oh, ich habe Erfahrung gemacht! Fragen Sie weiter!“
Der Geistliche wendete sich wieder an den Gefangenen:
„Wollen Sie etwa sagen, daß Sie kein Sünder sind?“
„Nein.“
„Also gestehen Sie!“
„Ich kann nichts gestehen. Ich bin unschuldig.“
„Aber Sie wollten doch beichten?“
„Ja, wie jeder andere beichtet.“
„Sie wollen also eine allgemeine Beichte ablegen, so wie man sie bei der Kommunion nach den Worten des Geistlichen ablegt?“
„Ja.“
„Sind Sie sich keiner besonderen Sünde bewußt?“
„Nein.“
Er zuckte die Achsel und sah den Assessor fragend an. Dieser flüsterte ihm zu:
„Ich sagte es Ihnen ja. Er ist verstockt und wird ohne Geständnis sterben. Ich kenne diese Art von Menschen.“
„Und ich kann nicht wissen, was grad Sie von ihm hören möchten. Wollen Sie ihn fragen?“
„Das wäre ein Verhör, aber keine Beichte. Ich habe kein Recht zu Untersuchungszwecken das Hinscheiden eines Sterbenden zu erschweren.“
„Nehmen Sie es nicht als Verhör. Er hat gesagt, daß er beichten wolle, und da ich die Sünden, welche ihm zur Last gelegt werden, nicht kenne, so ist es für sein Seelenheil nur vorteilhaft, wenn Sie ihn an sie erinnern.“
Daraufhin trat Schubert nahe an das Bett heran und fragte den Apotheker:
„Sie wissen doch, weshalb Sie gefangen sind?“
„Nein.“
„Sie standen mit dem sogenannten Hauptmann im Bund?“
„O niemals!“
„Sie haben sich gewisser giftiger Arzneimittel zu Zwecken bedient, welche vom Gesetz verboten sind?“
„Nein.“
„Sie haben Gifte gefertigt, welche man dann dem Riesen Bormann und der Baronin von Helfenstein eingegeben hat.“
„Das ist nicht wahr.“
„Aber wir haben Zeugen, welche ganz genau wissen und es auch beschwören, daß der Hauptmann bei Ihnen gewesen ist.“
„Auch das ist eine Lüge. Ich will beichten, weil ich ein sündiger Mensch bin; ein Verbrecher aber bin ich nicht. Ich habe mit Ihnen nichts zu tun; ich will nur mit dem Pfarrer sprechen. Lassen Sie mich doch ruhig sterben!“
Da trat der Assessor enttäuscht vom Bett zurück und sagte zum Pfarrer:
„Er ist verstockt. Ich bin überzeugt, daß er schuldig ist. Tun Sie Ihre Pflicht, so, wie Sie es verantworten können!“
Der Geistliche versuchte es, dem Kranken ins Gewissen zu reden, doch ohne Erfolg. Darum entschied er endlich:
„Nun wohl! Es ist mir als dem verordneten Diener der christlichen Kirche das Amt der Schlüssel gegeben. Ich kann binden und lösen, je nachdem der Sünder reuig ist oder nicht. Dieses Amtes werde ich jetzt walten, so wie es mein Gewissen mir gebietet. Sie bekennen sich also nur im allgemeinen für einen Sünder?“
„Ja.“
„Eine besondere, hervorragende und im Strafgesetzbuch erwähnte Tat aber haben Sie nicht begangen?“
„Nein, nie!“
„So werde ich Ihnen die allgemeine Beichte vorsprechen. Ist es Ihnen möglich, sie nachzusprechen?“
„Ich bin müde. Das Reden fällt mir schwer.“
„So hören Sie!“
Der Geistliche las ihm langsam und deutlich den
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