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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ohne Verstand gewesen ist?“
    „Hm! Da haben wir freilich ein unübersteigliches Hindernis. Die beiden haben sich ja während ihres hiesigen Aufenthaltes gar nicht sehen können.“
    „O doch!“ fiel da schnell der Staatsanwalt ein. „Der Wachtmeister hat mir mitgeteilt, daß sich Horn infolge seines Blutsturzes in der Krankenstation befunden habe, wo auch Seidelmann liegt, allerdings nur für kurze Zeit. Seidelmann lag ohne Bewegung, wie eine Leiche, und es war für Horn so aufregend gewesen, so ganz allein und im Finstern mit diesem totenähnlichen Menschen zu sein, daß er sich wieder in seine Zelle schaffen ließ.“
    „Ach, das gibt zu denken! Wie nun, wenn Seidelmann nur simuliert hätte, wenn er gar nicht krank gewesen wäre? Es ist ihm das sehr wohl zuzutrauen.“
    „Er war krank, er war besinnungslos und unzurechnungsfähig!“ fiel der Gerichtsarzt ein.
    „Sehen wir uns aber dennoch seine Leiche an!“
    „Ich habe keine Zeit dazu!“
    Da legten sich die Züge des Fürsten in den tiefsten Ernst. Er sagte:
    „Ich habe hier nichts zu befehlen. Will der Herr Staatsanwalt Sie dispensieren, so hat er es zu verantworten.“
    Auf diese indirekte Aufforderung wendete sich der Genannte an den Gerichtsarzt:
    „Ich muß Sie wirklich bitten, uns zu begleiten, da die Angelegenheit von solcher Wichtigkeit ist.“
    „Wenn Sie befehlen, gehorche ich, bitte aber zu bedenken, daß ich keineswegs gezwungen bin, ein Amt weiter zu führen, bei dessen Verwaltung ich auf solche Unannehmlichkeiten stoße, Herr Staatsanwalt.“
    Der Genannte zog es vor, nicht zu antworten, und so begaben sich die Herren nach der Krankenstation, wo Seidelmann lag, nackt und nur in ein Bettuch gehüllt.
    Der Gerichtsarzt zog das Tuch ganz fort, faßte den Scheintoten bei einem Arm und zog an demselben. Der Arm gab nicht nach, sondern der ganze Körper war so steif, daß er sich mitbewegte.
    „Glauben Sie, daß bei so einer ausgesprochenen Todesstarre es noch möglich ist, daß er lebt?“ fragte der Gerichtsarzt in ironischem Ton.
    „Allerdings“, antwortete Doktor Zander schnell.
    Sein Kollege fuhr mit dem Kopf zu ihm herum und sagte in höchstem Erstaunen:
    „Ah! Wirklich! Mir vollständig neu!“
    „Aber mir nicht, Herr Kollege.“
    „Wahrscheinlich sind Sie bedeutend älter als ich!“
    „Ich glaube nicht, daß nur das Alter Erfahrung macht. Es kann durch Zufall auch einmal einem Jüngeren ein Blick dahin gestattet sein, wohin ein Älterer noch nicht schaute. Darf ich wohl wissen, wann Seidelmann starb?“
    „Vor über einer Stunde.“
    „Und bereits so steif? So steif wie Knochen! Bitte, fühlen Sie ihn an! Sein Leib greift sich an wie eine Statue aus Stein oder Metall. Grad die ungewöhnliche Schnelligkeit dieser Starre und der hohe Grad derselben erregt mein Bedenken. Ich gestehe aufrichtig, daß sie mir nicht natürlich vorkommt, will aber keineswegs der Kompetenz meines verehrten Herrn Kollegen vorgreifen. Ich spreche nur eine persönliche Meinung aus.“
    Da erklärte der Gerichtsarzt giftig:
    „Und ich bescheinige amtlich, nicht aus persönlicher Meinung, daß dieser Mann hier eine Leiche ist!“
    „Welcher Prüfung haben Sie diese Leiche unterworfen?“ fragte da der Staatsanwalt.
    „Derjenigen, welche für mein Urteil hinreichend ist. Der Mann hat weder Puls noch Atem.“
    „Haben Sie ihm nicht vielleicht eine Ader geöffnet?“
    „Das war überflüssig.“
    „Was meinen Sie, Herr Doktor Zander?“
    „Ich meine, daß es immerhin geboten sein dürfte, nach der Zirkulation des Blutes zu suchen. Ich möchte den Herrn Kollegen bitten, eine Ader zu öffnen.“
    Das brachte den Gerichtsarzt vollends aus dem Häuschen. Er hielt seinen Zorn nicht mehr zurück und sagte:
    „Meine Herren, ich bitte, mir mitzuteilen, ob Herr Doktor Zander anwesend ist zum Zweck eines ärztlichen Konsiliums mit mir!“
    Da nahm der Fürst das Wort:
    „Ich erhielt die Nachricht von dem bevorstehenden Tod der beiden Gefangenen. Ich hegte Verdacht und begab mich zu Herrn Doktor Zander, welcher mein Vertrauen besitzt. Wir wußten nicht, daß der Herr Gerichtsarzt anwesend sein würde; wir mußten die Umstände nehmen, wie wir sie finden würden. Daher versah sich der Doktor mit den Instrumenten, welche unter Umständen nötig werden konnten. Das will ich bemerken. Mein Verdacht ist nicht beseitigt worden, sondern er hat sich verstärkt. Das übrige überlasse ich dem Herrn Staatsanwalt. Doch bemerkte ich allen Ernstes, daß ein Mann der

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