65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Bedingung. Nämlich derjenige, welcher Ihnen diesen Kontrakt bringt, beansprucht eine Belohnung dafür.“
„Die soll er haben, wenn es in meinen Kräften steht.“
„Es steht in Ihren Kräften, und ich werde Ihre Geduld auch nicht sehr lange auf die Probe stellen.“
Das war ein Versprechen, welches die ganze Familie mit Freude erfüllte. Sie hätten freilich am liebsten gleich jetzt gewußt, um was es sich handelte. Auch Doktor Zander, welcher sich für Werners sehr interessierte, war neugierig und erkundigte sich danach, als er mit dem Fürsten wieder in dem Wagen saß.
„Es war ein kühnes Versprechen, welches ich gab“, antwortete dieser. „Ich weiß zwar eine Stelle: vielleicht aber ist sie schon vergeben, auch habe nicht ich darüber zu verfügen, aber ich werde doch versuchen, ob es mir gelingt, sie dem braven Mann zu verschaffen. Jetzt nun bin ich gespannt, was ich bei Ihnen sehen und erfahren werde. Also Fels ist mit seiner Geliebten bereits da?“
„Jedenfalls. Ich erwartete die beiden, als Sie zu mir kamen, um mich nach dem Gefängnis abzuholen.“ –
Marie Bertram hatte, wie bekannt, eine Stellung bei Alma von Helfenstein gefunden. Wilhelm Fels, der Mechanikus, war als Gehilfe bei einem Meister eingetreten und befand sich wohl bei demselben. Nur eins bedrückte ihn, nämlich er bekam die Geliebte nicht zu sehen. Er ging täglich des Abends, wenn die Arbeit zu Ende war, an dem Palast der Baronesse vorüber, er stand ganze Stunden lang auf der Straße und beobachtete die Fenster. Zuweilen war es ihm, als stehe die Geliebte oben und blicke auf die Straße herab, aber wenn er sich dann sehen ließ und ein Zeichen gab, so war sie verschwunden.
Dann kam er auf den Gedanken, ihr zu schreiben. Er schrieb mehrere Briefe, erhielt aber keine Antwort. So kam es, daß er trüber und trüber gestimmt wurde und sich recht einsam und verlassen fühlte. Er hatte nun niemand mehr; seine Mutter war ja unheilbar wahnsinnig. Dennoch besuchte er sie wöchentlich einige Male, aber sie kannte ihn nicht. Sie wimmerte leise und schmerzlich vor sich hin, wie sie es seit dem Tag getan hatte, an welchem sich ihr Geist verwirrt hatte.
Vorige Woche nun hatte er sie auch besuchen wollen, war aber mit dem Bescheid, daß sie nicht zu sprechen sei, abgewiesen worden. Dasselbe war gestern wieder geschehen. Er befand sich in großer Sorge, und als er heute eine briefliche Aufforderung erhielt, sich am Nachmittag zu einer angegebenen Zeit bei Doktor Zander einzufinden, ahnte er nicht, daß diese Einladung sich auf seine Mutter beziehe.
Er begab sich zu der bestimmten Zeit nach der Wohnung des Arztes, den er von Rollenburg her kannte. Im Vorzimmer saß eine alte Verwandte Zanders, welche er zu sich genommen hatte, um nicht allein zu sein. Er sagte ihr seinen Namen. Sie sah von ihrem Strickstrumpf weg und über ihre Brille hin ihm ins Gesicht und sagte:
„Treten Sie da durch diese Tür. Der Herr Doktor ist abgerufen worden und wird hoffentlich nicht lange auf sich warten lassen.“
Sie machte dabei ein eigentümliches, wohlwollend-verschmitztes Gesicht. Und das hatte seinen Grund. Sie hatte nämlich von Zander alle Verhältnisse der Kranken, die jetzt bei ihm wohnten, erfahren; sie wußte also auch, daß Marie Bertram die Geliebte Fels' sei.
Er folgte der Aufforderung und trat in das Zimmer. Am Fenster stand eine schlanke aber volle Mädchengestalt, welche sich, als die Türe ging, nach derselben umdrehte. Er erschrak freudig, trat schnell auf sie zu und rief:
„Marie! Du hier? Du?“
„Wilhelm! Herr Fels!“ antwortete sie verwirrt.
Sie wollte ihm die Hand entziehen, welche er ergriffen hatte, aber er gab dieselbe nicht wieder her.
„Herr Fels! So nennst du mich?“ fragte er. „Welchen Grund hast du dazu?“
„Den, welchen du weißt.“
„Ich weiß keinen, gar keinen.“
„O doch!“
„Sage mir ihn, schnell!“
„Nein, nein! Lassen wir das! Was tust du hier?“
„Ich weiß nicht, was ich soll. Ich wurde bestellt.“
„Ich auch.“
„Du auch? Du hast eigentlich nichts hier zu tun?“
„Nein. Ich erhielt diese Zeilen.“
Sie zog den Brief hervor und zeigte ihm denselben.
„Geradeso wie ich“, sagte er. „Das ist mir rätselhaft. Was mag dieser Doktor Zander von uns wollen!“
„Wir werden es jedenfalls erfahren. Willst du dich nicht setzen?“
Sie zeigte auf einen Stuhl und versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen. Er hielt sie noch immer fest und antwortete:
„Ja, ich werde mich setzen,
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