Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
endlich:
    „Der Vater wartet; ich muß heim.“
    Da ließ er ihre Hand los und meinte:
    „Das ist Ihr Wille und mein Urteil. Leben Sie wohl, Fräulein Werner! Wir werden uns wohl so bald nicht wiedersehen. Es können eben nicht alle Menschen glücklich sein. Ich wäre es so gern gewesen. Gute Nacht!“
    Er wendete sich um und ging.
    Seine Stimme hatte so traurig geklungen. Sie fühlte, daß ihm seine Worte aus dem Herzen gekommen waren. Sie überlegte jetzt nicht und sie dachte jetzt nicht; sie folgte jetzt nur der Eingebung ihres Herzens, als sie jetzt schnell ihm nacheilte und, ihre Hand an seinen Arm legend, sagte:
    „Bleiben Sie! Wir wollen nicht auseinandergehen, ohne uns wenigstens gehört zu haben.“
    „Das ist recht! Ich danke Ihnen!“
    Er drehte sich wieder um, und nun schritten sie langsam nebeneinander her. Er machte keinen Versuch, sich wieder ihres Armes zu bemächtigen; er trug seine Hände auf dem Rücken und sagte in künstlich kaltem Ton:
    „Ich wollte aufrichtig mit Ihnen sein, und ich will Wort halten auch auf die Gefahr hin, daß Sie mir es übelnehmen können. Ich besitze nämlich ein wenig Talent zum Zeichnen und beschäftige mich in den Mußestunden, die mir bleiben, mit der Palette. Ich habe stets ein ausgesprochenes Gefühl für Harmonie, für Schönheit besessen, und – Sie sind schön.“
    Er hielt inne. Vielleicht dachte er, daß sie etwas sagen werde; sie aber schwieg.
    „Als ich Sie zum ersten Mal am Fenster sah, konnte ich nur Ihr Gesicht und Ihren Kopf betrachten. Ihr Antlitz besitzt ein ganz eigentümliches Gepräge. Ich finde kein passendes Wort dafür, ich möchte sagen, weltlich-madonnenhaft, aber das ist auch nicht das Richtige. Und als ich dann später Ihre ganze Gestalt sah, diese vollen, reizenden Formen, dann verdoppelte sich mein Interesse. Sie sind ein Bild reiner, keuscher Jungfräulichkeit und vermögen dennoch Gedanken zu erwecken, welche ganz gegenteilig sind. Sie hatten zunächst nur dieses eine Interesse erregt. Dann sah ich Sie in ihrem häuslichen Walten; ich betrachtete Ihren Fleiß, Ihre Aufopferung für die Ihrigen, und je mehr und je länger ich beobachtete, desto tiefer stieg mir das Interesse in das Herz hinab, bis es dieses ganz und gar erfüllte. Aus dem einfachen Interesse, aus der äußerlichen Teilnahme war eine tiefe, innige und treue Liebe geworden. Sie sind so still. Hören Sie mich?“
    „Ja“, antwortete sie halblaut.
    „Sie können sich denken, wie glücklich ich war, als ich Sie zum ersten Mal nach Hause begleitete. Ich wollte zu Ihnen von meiner Liebe sprechen; das Wort lag mir auf der Zunge, aber jenes Madonnenhafte in Ihrem Wesen ließ mich nicht dazu kommen. Ich wollte, ich hätte doch gesprochen, denn nun kam eine Zeit der Trauer. Glücklicherweise war sie kurz.“
    „Jener Abend im Theater?“ fragte sie.
    „Ja.“
    „Ich war unschuldig!“
    „Das wußte ich nicht, und darum wurde ich irre an Ihnen. Zudem war das gerade die Zeit, in welcher ich auszog und vom Fürsten engagiert wurde. Aber ich dachte doch an Sie und zog Erkundigungen ein. Da erfuhr ich, daß Sie gezwungen worden seien.“
    „Ja, Gott weiß es!“
    „Daß Ihr Vater sein Brot verloren hätte, wenn Sie ungehorsam gewesen wären.“
    „Nur dieses eine konnte mich dazu veranlassen.“
    „Ich erfuhr, daß Sie bitterlich geweint hatten, und nun tat es mir so unendlich leid, Ihnen in Gedanken so unrecht getan zu haben. Dies verdoppelte meine Liebe, und als ich dann das andere hörte, so – so – ja, bei Gott, ich hätte nach Rollenburg gehen können, um diesen Unmenschen zu ermorden, wenn ich noch zur Zeit hätte kommen können.“
    „Ich war auch da unschuldig. Ich hatte keine Ahnung von der Absicht dieses Mannes. Er hatte mich als Kassiererin engagiert, und ich nahm diese Stelle an, weil er gleich Gehalt zahlte und der Vater entlassen worden war.“
    „Ich weiß das. Ich habe alles von Holm und Zander erfahren. Der letztere hat Sie ja gerettet.“
    „Ich werde es ihm nie vergessen. Er hat Ihnen alles erzählt, alles! Mein Gott!“
    „Das tut Ihnen weh; ich begreife das. Aber es mag Ihnen auch ein Beweis dafür sein, daß Sie in Ihrer Schönheit ein Gut besitzen, welches einen Mann, der es ehrlich mit Ihnen meint, unendlich glücklich machen kann.“
    „Wenn ich wirklich nicht häßlich bin, so habe ich bisher davon nur Herzeleid gehabt.“
    „So mag es jetzt anders werden! Sie haben gehört, daß ich Sie liebe; Sie werden mir glauben, daß ich es

Weitere Kostenlose Bücher