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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewesen sein.“
    „Entsetzlich! Der Vater hatte nicht gewollt, mußte aber gehorchen, wenn er die Anstellung nicht verlieren wollte. Und auch ich mußte aus demselben Grund einwilligen. Freilich hatte ich es mir nicht so schlimm vorgestellt, wie es wirklich war. Als ich mich in der Garderobe vollständig entkleiden und dann die durchsichtigen und tief ausgeschnittenen Fetzen anziehen mußte, dachte ich, ich müsse in die Erde sinken. Ich hatte eine stumme Rolle; meine Aufgabe war nur, dem Publikum ein halb- oder vielmehr fast ganz nacktes Frauenzimmer zu zeigen. Ich weinte vor Scham und Aufregung, es half nichts, man hatte kein Mitleid, ich wurde, noch weinend, auf die Bühne gestoßen.“
    „Schrecklich!“
    „Ich wagte natürlich nicht, ein Auge aufzuschlagen.“
    „Das glaube ich. Ich wäre vor Scham vergangen. Da ist dir deine Schönheit zum Unsegen geworden.“
    „Schönheit?“
    „Ja, Emilie, schön bist du, das darf ich als Freundin dir sagen. Und das kannst du dir selbst denken, da man dich sonst nicht zu einer solchen Rolle bestimmt hätte.“
    „Wäre ich doch lieber recht häßlich gewesen! Als ich in dieser Weise auf der Bühne stand, kam mir plötzlich ein entsetzlicher Gedanke. Ich dachte an ihn. Wie nun, wenn auch er im Theater war und mich so sah!“
    „Das wäre freilich nicht angenehm gewesen!“
    „Nur nicht angenehm? Ah! Ich wagte es, aufzublicken, hinauf nach der Polizeiloge. Und denke dir, dort saß er und hielt den Blick auf mich, gerade auf mich gerichtet. Ich dachte, der Schlag müsse mich treffen.“
    „Du Arme!“
    „Ich zitterte an allen Gliedern. Es gibt gar kein Wort, zu beschreiben, wie es mir im Innern gewesen ist! Es war mir nachher nur wie im Traum. Ich weiß heute nicht mehr, was ich getan und gedacht habe; ich weiß nur, daß ich nach Hause gekommen bin und die ganze Nacht hindurch bitterlich geweint habe.“
    „Er kann es dir nicht nachtragen. Du hast ja gemußt.“
    „Wie konnte er das wissen!“
    „Er brauchte sich nur zu erkundigen.“
    „Oh, das hat er nicht getan. Er hat garnichts mehr von mir wissen wollen. Das weiß ich ganz genau.“
    „Woher denn?“
    „Er hatte täglich zur bestimmten Zeit am Fenster gestanden. Ich kannte die Minute, ja die Sekunde ganz genau, wenn er erschien. Am anderen Morgen kam er nicht; ich hoffte und hoffte, aber er war nicht wieder zu sehen. Und als ich mich dann so unter der Hand erkundigte, da hörte ich, daß er am Morgen nach jenem Theaterabend ausgezogen sei.“
    „Jedenfalls nur zufällig.“
    „O nein.“
    „Er ist ledig, er hat eine Garçonlogis gehabt, da pflegt es monatliche oder gar nur vierzehntägige Kündigung zu geben. Er wird aus irgendeinem Grund gekündigt haben, und der Wegzug ist gerade auf diesen Morgen gefallen.“
    „Nein. Ich habe mich erkundigt! Die Witfrau, bei der er wohnte, hat selbst erzählt, daß er ohne vorherige Kündigung ausgezogen ist. Er hat gesagt, daß er fortgehe, er hat den vollen Monat bezahlt und ist wirklich gegangen. Einen Grund hat er gar nicht angegeben, ich aber kenne denselben. Er hat gar nichts mehr von mir wissen, mich gar nicht mehr sehen wollen.“
    „Hm! Vielleicht ist es dennoch anders.“
    „Nein. Du kannst dir nun ungefähr denken, wie mir zumute wurde, als ich ihn vor kurzer Zeit bei euch traf. Ich hätte gleich fortgehen mögen!“
    „Glücklicherweise ist das nicht geschehen. Auch er ist geblieben. Das ist doch ein Zeichen, daß du unrecht hast, wenn du denkst, daß er gar nichts von dir wissen will.“
    „Er bleibt doch nur, um nicht unhöflich zu sein. Also ist es gewiß, daß auch er heute kommt?“
    „Ja. Er ist Antons bester Freund und darf deshalb bei unserer Verlobung unmöglich fehlen.“
    „Ich würde davonbleiben, wenn ich nicht deine Freundin wäre.“
    „Du nimmst die ganze Angelegenheit zu tragisch.“
    „O nein. Denke nur an das, was später geschehen ist. Wie bin ich in Rollenburg behandelt worden!“
    „Unschuldig!“
    „Das ändert an der Sache nichts.“
    „Wer weiß, ob er es erfahren hat!“
    „Der? Ein Polizist? Ein Geheimpolizist? Alle Welt weiß es ja! Es wird ja als Kriminalfall vor Gericht verhandelt!“
    „Und dennoch darfst du es dir nicht so zu Herzen nehmen. Denke, wie es mir ergangen ist. Ich habe dir erzählt, daß ich damals vor Weihnachten in die Weinstube gelockt worden bin. Anton weiß es, und doch fällt es ihm gar nicht ein, es mir anzurechnen. Man kann doch nicht die Folgen eines Ereignisses, an welchem man

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