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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jenem Abend begleiten durfte; ich hatte gedacht, daß dies vielleicht noch öfters geschehen könne; aber es sollte anders kommen. Als ich nämlich einige Zeit später ins Büro kam, wurde mir eröffnet, daß sich ein Fremder hier niedergelassen habe, der Fürst von Befour. Er hatte um zwei Polizisten nachgesucht, und man hatte sich für mich und Anton entschieden. Ich mußte also zu ihm in die Palaststraße ziehen. Ich darf nicht sagen, zu welchem Zweck wir engagiert worden waren; aber es galt, eine wahrhaft fieberhafte Tätigkeit zu entwickeln. Wir hatten Tag und Nacht zu tun, und unsere persönlichen Wünsche mußten zurücktreten. Jetzt nun sind wir wieder zu Atem gekommen, und da ich von Anton hörte, daß Sie zuweilen bei Wachtmeisters seien, so unterließ ich es nicht, mich dort auch einzufinden.“
    Er machte eine Pause. Sie sagte kein Wort; sie ging still neben ihm her. Darum fragte er:
    „Sie werden mir zürnen, daß ich Sie mit dieser Angelegenheit, die Ihnen ja so gleichgültig ist, langweile?“
    „O nein.“
    „Hätten Sie sich gefreut, wenn ich nicht ausgezogen wäre?“
    „Ihr schnelles Verschwinden überraschte mich.“
    „Aber es betrübte Sie nicht?“
    „Herr Adolf!“
    „Verzeihen Sie! Ich möchte Ihnen nicht weh tun und Sie um alles in der Welt nicht erzürnen; aber ich sah heute den Freund so glücklich, daß ich wünschte, ebenso glücklich zu sein. Ich habe, gleich als ich Sie zum ersten Mal sah, an dieses Glück gedacht, und dieser Gedanke ist mir auch nicht wieder aus dem Sinn gekommen. Erinnern Sie sich wohl noch der Worte, welche ich sagte, als ich von Ihnen an Ihrer Türe Abschied nahm?“
    „Ja.“
    „Ah, Sie haben sie nicht vergessen? Ich danke Ihnen.“
    „Es war ein Scherz.“
    „Ein Scherz? Sie glauben, daß es mir mit jenen Worten nicht ernst gewesen ist?“
    „Ja, das glaube ich.“
    „Und warum glauben Sie es?“
    „Weil – weil –“
    Sie stockte. Sie wußte nicht, was sie antworten sollte. Die Wahrheit konnte sie ja unmöglich sagen.
    „Weil – weil –? Ich möchte so gerne Ihre Antwort hören; sie hätte so großen Wert für mich!“
    „Oh, jetzt höre ich, daß Sie nicht nur scherzen; jetzt spotten Sie sogar.“
    „Spotten? Ist es möglich, daß Sie das denken?“
    „Ich denke es, und es ist auch wahr. Wie kann eine Antwort von mir für Sie einen Wert haben!“
    „Einen großen, sehr großen sogar! Sie wissen, Fräulein Werner, daß ich kein Grünschnabel bin und einem sehr ernsten Beruf angehöre. Ich spreche und denke nicht wie ein achtzehnjähriger junger Mensch, der heute so fühlt und morgen anders. Ich habe Ihnen damals bereits gesagt, daß ich mit Ihnen durch das Leben gehen möchte, und es ist mir dabei ernst, sehr ernst gewesen. Wollen Sie mir das glauben?“
    „Es ist mir nicht möglich, es zu glauben.“
    „Warum nicht? Bitte, sagen Sie mir es!“
    „O nein, nein! Da ist meine Wohnung. Bitte, lassen Sie uns scheiden. Es ist schon so spät!“
    „Ja, es ist schon so spät“, sagte er traurig, „und für mich ist es schon zu spät!“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ich habe, um meine Berufspflichten zu erfüllen, mein persönliches, mein privates Glück versäumt.“
    „Sie werden es finden.“
    „Wenn ich es finden soll, dann nur allein bei Ihnen!“
    „Gott, ich weiß nicht, was ich denken soll! Sie kennen mich ja!“
    „Oh, sehr genau.“
    „Und Sie wissen, was mit mir geschehen ist!“
    „Auch das weiß ich.“
    „Dann können Ihre Worte nur Spott enthalten, und den, den habe ich nicht verdient. Gute Nacht!“
    Sie zog ihren Arm aus dem seinigen und wollte fort. Aber er war schneller als sie. Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
    „Fräulein Werner, sagen Sie mir eins, ehe Sie gehen, nur das eine: Hassen Sie mich?“
    „Nein.“
    „Dann darf ich Sie auch nicht so von mir lassen. Bitte, gehen wir noch ein Stück weiter!“
    „Nein. Hier wohne ich, und es ist so spät. Wenn jemand uns sieht und mich erkennt!“
    „So erkennt er wohl auch mich, und ich will keinem raten, schlecht von Ihnen oder mir zu denken oder gar zu sprechen. Nein, ich errate, was Sie denken, und das ist nicht das Richtige. Ich will aufrichtig zu Ihnen sprechen, recht aufrichtig, so wie man nur ein einziges Mal im Leben aufrichtig ist. Doch darf ich Sie nicht zwingen, mit mir zu gehen; ich werde Ihren Willen achten. Also sagen Sie, wollen Sie noch einige Minuten bei mir bleiben, trotzdem es so spät ist?“
    Sie zögerte mit der Antwort und sagte

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