65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
natürlich.“
„Und wo?“
„Auf dem Gottesacker. Nicht?“
„Das versteht sich von selbst. Aber wer hat ihn denn zu begraben. Wir oder das Gericht?“
„Das wird sich erst noch finden. Zunächst habe ich Ihnen nur zu melden, daß er gestorben ist.“
„Man hat seine Leiche doch nach dem Gottesacker in das Leichenhaus geschafft?“
„Nein. Er liegt im Gefängnis.“
„Warum denn das? Man wird doch keine Leiche drin behalten.“
„Jedenfalls nicht. Aber zunächst wollen wir sehen, ob wir wirklich eine Leiche haben.“
„Wieso? Wenn er tot ist, ist er doch Leiche.“
„Ja, wenn er tot ist. Adieu.“
„O bitte, dürfen wir ihn besuchen?“
„Wozu?“
„Sie sehen doch ein, daß wir unsern Vater noch einmal sehen wollen!“
„Ja, das sieht man ein. Jedenfalls dürfen Sie mit beim Begräbnisse sein. Wenden Sie sich in dieser Beziehung an den Herrn Assessor von Schubert. Der ist Untersuchungsrichter und hat zu bestimmen.“
„Wir werden den Toten aber wohl auch noch eher als beim Begräbnisse sehen dürfen?“
„Das bezweifle ich. Fragen Sie den Herrn Assessor!“
Er ging. Sie horchten, ob er sich wirklich entferne, und dann sagte die Alte:
„Endlich! Also mittags zwei Uhr! Da wird er morgen um dieselbe Zeit wieder lebendig. Aber er ist nicht in die Leichenhalle geschafft worden. Wie können wir ihm denn da helfen? Mir ist angst um ihn.“
„Mir scheint Verdacht zu hegen“, meinte Jette.
„Ja, das hörte man dem Boten deutlich an.“
„Wenn er sich noch im Gefängnis befindet, wenn er wieder lebendig wird, so ist der Plan zuschanden gemacht. Mutter, es ist am besten, du gehst gleich jetzt zu diesem Assessor von Schubert. Wir müssen wissen, wann und wo wir den Vater zu sehen bekommen.“
„Wenn ich ihn nun sogleich sehen darf; soll ich das Pulver mitnehmen, welches er braucht?“
„Nein. Man könnte dich durchsuchen. Jetzt wollen wir nur erst erfahren, wann wir ihn sehen können.“
Die Alte machte sich auf den Weg. Später kehrte sie niedergeschlagen zurück. Sie war zwar vorgelassen worden, hatte aber erfahren, daß man sie und ihre Kinder benachrichtigen werde, wann Horn begraben werde. Eher aber sei er nicht zu sehen. –
Und um dieselbe Zeit kam Doktor Zander zu dem Staatsanwalt und teilte ihm mit, daß er das Blutwasser nun mikroskopisch untersucht habe.
„Und was ist das Resultat?“
„Daß ich meinen Verdacht nicht fallenlassen kann. Ein absolutes Ergebnis liegt nicht vor; das wird uns erst die chemische Analyse bieten; aber mir scheint, als sei das Blutwasser von einer ungewöhnlichen mechanischen Zusammensetzung. Ich bitte, die beiden Leichen ja nicht aus Verschluß zu geben.“
„Das werden wir nicht tun, bis Sie mit Ihrer chemischen Untersuchung zu Ende sind. Wann wird das sein?“
„Einen vollen Tag brauche ich dazu.“
„O weh! Also bis morgen um diese Zeit?“
„Ja. Ich werde selbst wiederkommen.“
Die beiden in der Krankenstation befindlichen Leichen waren also eingeschlossen, und außerdem kam der Schließer allstündlich, um zu inspizieren.
Am Nachmittag waren aus Rollenburg Untersuchungsgefangene eingetroffen. Die Zellen reichten kaum zu. Unglücklicherweise erkrankte einer dieser Leute während der Nacht in ernstlicher Weise. Als der Bezirksgerichtsarzt ihn am Morgen untersuchte, erklärte er, daß ein nervöses Fieber im Anzug sei, und daß der Patient nicht in der Zelle behandelt werden könne, sondern nach der Krankenstation geschafft werden müsse.
„Dort aber sind die beiden Leichen“, meinte der Wachtmeister.
„Die müssen eben heraus.“
„Doch wohin?“
„Nach dem Kirchhof, ins Totenhaus.“
„Das hat der Herr Staatsanwalt verboten.“
„Ach, Unsinn! Ich bin Arzt, und hier handelt es sich um Krankheit und Tod. Ich muß wissen, ob einer tot ist oder nicht. Und wenn ich bestimme, daß ein Kranker nach der Station geschafft werden soll, so hat das zu gelten, und man hat zu gehorchen!“
„Tut mir leid, Herr Doktor! Ich habe mich allerdings nach dem Herrn Staatsanwalt zu richten.“
„Schön! Ich werde gleich selbst zu ihm laufen. Ich will doch sehen, wer hier gilt, dieser Doktor Zander oder ich!“
Als er nach einiger Zeit wiederkam, war der Staatsanwalt bei ihm. Beide begaben sich mit dem Wachtmeister nach der Krankenstation, wo der Arzt die beiden Leichen noch einmal untersuchte.
„Es ist lächerlich, hier an dem Tod zu zweifeln“, sagte der. „Wer da glaubt, daß in diesen beiden Körpern noch Leben sei, der
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