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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ist geradezu wahnsinnig.“
    „Hm!“ meinte der Anwalt. „Muß denn der Neuerkrankte wirklich hierher?“
    „Ja. Ich kann ihn nicht in der Zelle lassen.“
    „So müssen allerdings diese Leichen fort.“
    „Ich muß sehr darauf bestehen!“
    „Aber wohin?“
    „Nach dem Gottesacker natürlich!“
    „Das auf keinen Fall. Aus unserem Gewahrsam gebe ich sie doch noch nicht.“
    „Sie glauben also diesem Doktor Zander?“
    „Ich glaube nichts, hier handelt es sich nicht um Glauben oder Nichtglauben, sondern hier handelt es sich um meine Pflicht, und diese muß ich erfüllen. Sie besteht in diesem Fall in der Anwendung der äußersten Vorsicht, die ich nicht versäumen werde.“
    „So machen Sie, was Sie wollen! Ich aber muß auf die Entfernung dieser Leichen bestehen.“
    „Dazu bin ich ja bereit. Herr Wachtmeister, ist im Kohlengewölbe Platz?“
    „Ja.“
    „Wie steht es da mit dem Verschluß?“
    „Oh, der ist sicher. Eine starke Tür, eine dicke Eisenstange davor und ein Hängeschloß, welches mir sicher niemand ohne meine Erlaubnis öffnet.“
    „Und Fenster?“
    „Die gibt es dort gar nicht, sondern nur zwei Luftlöcher, die ein notdürftiges Licht einlassen.“
    „Schön! Übrigens liegt das Kohlengewölbe im Gefängnishof, innerhalb der Mauer. Die Leichen sind also dort ganz ebenso untergebracht wie hier.“
    „Und“, fügte der Arzt in ironischem Ton bei, „Sie können ja dort auch so stündlich nachsehen lassen, ob sie vielleicht davongelaufen sind!“
    „Das werde ich allerdings tun lassen. Herr Wachtmeister, besorgen Sie das alles.“
    Nach kurzer Zeit waren die Leichen in dem Kohlengewölbe untergebracht. Dieses letztere war nicht sehr groß und hatte dicke Steinmauern.
    Man hatte zwei einfache Holzbänke hineingestellt und die Toten daraufgelegt. Als nach einiger Zeit der Staatsanwalt nachsah, erklärte er sich zufriedengestellt, befahl aber trotzdem, daß einer der beiden Schließer alle Stunden nachzusehen habe, ob vielleicht eine Veränderung eingetreten sei.
    Es war kurz nach ein Uhr mittags, da gab es in dem Kohlengewölbe ein Geräusch. Hatte eine herabfallende Kohle geraschelt, oder war das ein rasselnder Atemzug gewesen? Es war einige Zeit lang ruhig, dann aber gab es ein halblautes Räuspern, dem ein kräftiges Gähnen folgte, und nun begann sich die Leiche des frommen Schusters zu bewegen.
    Er schob das Tuch von sich, in welches er eingewickelt war, und richtete sich in sitzende Stellung empor.
    „Donnerwetter“, murmelte er, um sich blickend. „Wo bin ich denn eigentlich? Brrr! Hier eine Leiche! Und ich – ach, ich auch als Leiche! Was ist denn das?“
    Er sann und sann. Endlich wurde die Erinnerung wach. Er konnte sich besinnen.
    „Richtig, richtig! Ich habe ja Gift genommen, und ich bin gestorben! Ah! Das war ein Wagnis! Aber dieser alte Apotheker ist nicht nur ein tüchtiger Giftmischer, sondern auch ein wahrheitsliebender Mann. Ich bin in Wirklichkeit wieder lebendig geworden. Da liegt auch er. Will doch einmal nachsehen.“
    Er zog dem Apotheker das Tuch vom Gesicht und betastete das letztere.
    „Kalt, eiskalt. Er ist noch tot. Hu! Das ist eigentlich schaurig. Wenn er nicht erwacht! Wenn er tot bliebe! Aber nein, er hat ja das Gift später genommen als ich. Er wird also auch später aufwachen. Wo aber bin ich? Im Kohlenkeller, wie es scheint. Und wo liegt dieser Keller? Etwa innerhalb des Gefängnisses? Das wäre fatal! Ich will doch einmal durch das Loch –“
    Er stand auf. Er warf jetzt das Tuch vollständig ab und bemerkte nun erst, daß er völlig nackt war.
    „Tod und Teufel!“ brummte er. „Das ist ja eine ganz verfluchte Geschichte! Wenn es uns auch gelingt, hinauszukommen, nackt können wir doch nicht fort. Na, sehen wir zunächst, wo wir uns befinden.“
    Er trat an eines der Löcher und blickte hindurch. Nun sah er allerdings, daß er sich innerhalb der Gefängnismauer befand. Zunächst bemerkte er einen Schließer, welcher drüben aus der Tür trat und in schnurgerader Richtung über den Hof herüberkam.
    „Der kommt grad auf diese Tür zu“, murmelteer. „Sapperment! Wenn er hereinkäme! Rasch wieder hin auf die Bank und in das Tuch gewickelt.“
    Er deckte das Gesicht Horns zu, wickelte sich ein und streckte sich aus, so wie er vorhin dagelegen hatte.
    Nun hörte er das Hängeschloß öffnen; die eiserne Stange klirrte; die Tür ging auf und der Schließer trat ein. Er warf einen forschenden Blick herein und verschloß dann wieder. Erst

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