Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nach einer längeren Weile getraute Seidelmann sich wieder zu erheben.
    Er gab seinen Gedanken, seinen Hoffnung und Befürchtungen Audienz, sah aber ein, daß er zunächst das Erwachen seines Gefährten erwarten müsse.
    Es verging eine Stunde, welche ihm zur Ewigkeit wurde, und dann kam der Schließer wieder. Glücklicherweise hatte der Schuster ihn abermals bemerkt und sich infolgedessen wieder lang auf die Bank ausgestreckt.
    Als sich der Aufsichtsbeamte wieder entfernt hatte und Seidelmann sich wieder aufrichtete, sagte er zu sich selbst:
    „Wie es scheint, revidiert man uns alle Stunden. Das ist ja zum – horch! Was war das?“
    Der Laut, den er gehört hatte, war von Horn gekommen. Dieser begann, sich zu bewegen. Seidelmann nahm das Tuch von dessen Gesicht hinweg und blickte in zwei traumhaft zu ihm aufblickende Augen.
    „Horn!“ sagte er.
    Der Apotheker antwortete noch nicht.
    „Horn!“
    „Wa – wa – was?“
    „Besinnen Sie sich! Wissen Sie, wer Sie sind?“
    „Nein – nei – nein!“
    „Kennen Sie mich?“
    Der Gefragte betrachtete ihn längere Zeit und antwortete:
    „Nein – ja – Sei – Seidelmann.“
    „Endlich! Wir sind ja gefangen.“
    „Ja.“
    „Und waren tot, haben Gift genommen.“
    „Tot – Gift!“
    Mit einem Ruck war er von der Bank empor. Diese beiden Worte hatten ihm sofort die Situation klargemacht. Er sah sich um und sagte:
    „Wie lange sind Sie schon munter?“
    „Fast zwei Stunden.“
    „Sehen Sie! Ganz wie ich es Ihnen vorhersagte! Meine Präparate wirken mit göttlicher Pünktlichkeit. Aber wissen Sie bereits, wo wir sind?“
    „Im Kohlengewölbe des Gefängnisses.“
    „Nicht außerhalb desselben?“
    „Nein.“
    „Verflucht!“
    „Und jede Stunde ist Revision.“
    „Von wem?“
    „Der Schließer kommt.“
    „So hat man Verdacht gefaßt.“
    „Wie es scheint!“
    „Und nackt! Alle Teufel, ist man vorsichtig gewesen! Es ist sicher, daß man uns nicht traut. Wie können wir entfliehen, wenn wir keine Kleider haben?“
    „Ach, ich würde gar zu gern splitternackt fortlaufen, wenn ich nur hinaus könnte!“
    „Um draußen sogleich festgenommen zu werden. Nein, Kleider müssen wir haben.“
    „Woher aber nehmen?“
    „Das wird sich finden. Zunächst wollen wir sehen, ob es überhaupt möglich ist, zu entkommen.“
    Er trat an das Loch und sah hinaus.
    „Man sieht sehr wenig Tröstliches“, bemerkte Seidelmann.
    „Das ist freilich wahr. Dieses Kohlengewölbe liegt an der einen Seite des Gefängnishofs. Dort die Mauer ist über fünf Ellen hoch. Man kann nicht drüber weg. Ein Tor ist da, aber die Schlüssel – ah!“
    „Was ist?“
    „Ich habe einen Gedanken.“
    „Welchen?“
    „Sagten Sie nicht, daß jede Stunde ein Schließer komme, um zu revidieren?“
    „Ja.“
    „Hat er seine Schlüssel mit?“
    „Ich bemerkte allerdings einen Schlüsselbund in seiner Hand.“
    „Gut, sehr gut!“
    „Wieso?“
    „Er wird uns den Schlüssel borgen, das Tor zu öffnen.“
    „Und Kleider borgt er uns auch.“
    „Wieso?“
    „Das erraten Sie nicht?“
    „Wollen Sie ihn bestechen?“
    „Dieser Versuch würde wohl sehr schlecht ausfallen. Nein, ich werde nicht mit ihm reden; ich bin ja tot.“
    „Was wollen Sie denn tun?“
    „Wir lassen ihn herein und machen ihn kalt.“
    „Hm! Man wird ihn vermissen.“
    „Dann sind wir fort.“
    „Am hellen Tag?“
    „Unsinn! Wir warten natürlich, bis es dunkel ist.“
    „Ach so! Das leuchtet mir eher ein.“
    „Der Schließer wird hereinkommen, um uns anzugaffen. Wir überwältigen ihn und nehmen ihm die Schlüssel und seine Kleider ab.“
    „Diese letzteren reichen nicht für zwei.“
    „Das ist freilich wahr; aber sehen Sie da drüben auf der Stange den langen Radmantel?“
    „Ja.“
    „Es wird der Mantel der Frau Wachtmeister sein. Läßt sie ihn bis über die Dämmerung hängen, so ist uns geholfen. Sie sind der Längere und ziehen den Anzug des Schließers an. Ich bin kleiner und lege den Mantel um. Wir verlassen als Herr und Dame diesen Ort, und zwar durch das Tor, welches Sie dort sehen.“
    „Und wohin dann?“
    „Ich muß zunächst zu mir nach Hause.“
    „Unsinn! Wollen Sie sich gleich wieder fangen lassen?“
    „Nein. So schnell wird unsere Flucht nicht entdeckt werden. Die Meinigen sind nur auf den Fall instruiert, daß ich in die Leichenhalle des Gottesackers geschafft werde. Da man mich aber hier eingeschlossen hat, befinden sie sich in Ungewißheit, was zu tun

Weitere Kostenlose Bücher