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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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durch das Geräusch von Schritten aus ihrem Sinnen aufgeschreckt. Die Büsche, welche zu beiden Seiten des Weges standen, teilten sich, und der Freiherr von Brenner stand vor ihr, der Cousin Franzas.
    Er hatte sie schon öfters gesehen und gedacht, eine kleine Liebschaft mit ihr zu beginnen. Es hatte aber nicht gepaßt. Jetzt hatte er, auf dem Weg nach dem Dorf begriffen, sie kommen sehen und war stehengeblieben, die erste Angel nach ihr auszuwerfen.
    Sie sah kurz zu ihm auf und wollte weiter.
    „Halt, Mädchen!“ sagte er. „Wohin?“
    „Geht's dich was an?“ fragte sie kurz.
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Weil ich mit dir reden muß.“
    „Was hättest mit mir zu reden?“
    „Kennst du mich?“
    „Ja.“
    „Nun, wer bin ich?“
    „Der Herr, der zuweilen droben bei der Nachtwandlerin auf Besuch ist.“
    „Richtig. Hast du mich gesehen?“
    „Manchmal.“
    „Ich dich auch, und da hast du mir immer sehr gut gefallen.“
    „Du mir nicht. Adjes!“
    Sie wollte fort, er aber ergriff sie bei der Hand und sagte in bittendem Ton:
    „Bleib noch! Ich habe dir ja nichts getan!“
    „Die Kröten und der Frosch haben mir auch nix getan, und doch mag ich sie nicht leiden.“
    „Vergleichst du mich mit solch einem Ungeziefer! Du bist ein schönes Mädchen, und ich bin dir gut!“
    „Da bist dumm genug! Warum hast nicht eine lieb, welche dich leiden mag?“
    „Weil ich es grad auf dich abgesehen hab. Oder hast du vielleicht schon einen andern Schatz? Der Krickel-Anton ist gestern abend in deiner Hütte gewesen. Ist der es vielleicht?“
    „Ja, der ist's.“
    „Der! Sapperment! Der ist ein schöner Kerl. Wenn ich ihn einmal erwische, so wird es ihm sehr traurig ergehen!“
    „Den wirst nimmer erwischen!“
    „Oho! Wohl weil er mir gestern abend entkommen ist, als er sich in unserm Hause versteckte und nachher mich niederschlug, daß ich die Besinnung verlor? Dem begegne ich schon wieder!“
    Sie blickte ihn mit großen, starren Augen an, als ob sie einen Geist sehe.
    „Was plauschst denn da?“
    „Ich plausche nicht. Der Kerl ist ja gar nicht erschossen worden. Er hat bis gegen vier Uhr da oben bei uns gesteckt und ist dann heim.“
    Ein lauter, unartikulierter Schrei entrang sich ihrer Brust.
    „Du lügst!“
    „Es ist wahr!“
    „Schwör's!“
    „Ich kann alle Eide darauf leisten.“
    „Und heim ist er?“ fragte sie atemlos.
    „Ja doch!“
    „Das muß ich wissen!“
    Sie wendete sich um. Er hielt noch ihre Hand fest, welche sie ihm in ihrer Überraschung gar nicht entrissen hatte. Er zog sie zu sich retour.
    „Halt, schöne Leni! Für das, was ich dir da gesagt hab, will ich eine Belohnung!“
    „Was für eine?“ fragte sie wie abwesend.
    „Einen Kuß!“
    „Geh da hinein zum Einödbauern und küß seine Kuh; die ist auch schön!“
    Sie wollte sich losreißen; er aber hielt ihre Hand mit seiner Rechten fest, legte den linken Arm um sie und näherte seine zugespitzten Lippen ihrem Gesichte. Da riß sie sich mit einem kräftigen Ruck von ihm los und holte mit beiden Händen aus. Klitsch-klatsch, bekam er zwei gewaltige Ohrfeigen, so daß er sich mit beiden Händen nach den Wangen fuhr.
    „Da hast die Watschen, alberner Bub! Den Kuß heb ich für den andern auf!“
    Sie rannte über die Wiese hinüber nach dem Weg, welcher zur Stadt führte. Er wollte ihr nach, hielt aber schon beim dritten Schritt ein, ballte die Faust und drohte ingrimmig:
    „Verdammte Wespe! Das werde ich dir gedenken! Du kommst mir schon wieder in den Weg!“
    Ihr fiel es gar nicht ein, zurückzublicken, um zu sehen, welche Wirkung ihre Ohrfeigen hervorgebracht hatten. Ein großer, unaussprechlich glücklicher Gedanke schwellte ihre Brust:
    „Er lebt! Er lebt! Er ist nicht tot!“ jubelte sie laut hinaus.
    Dabei rannte sie weiter und weiter, ohne sich Rechenschaft zu geben, was sie eigentlich wolle. Sie wollte mehr hören; sie wollte Gewißheit haben. Darum trieb es sie vorwärts auf denselben Weg, den auch er wohl gegangen war.
    Gerettet, gerettet war er! Welch ein stolzer Gedanke, daß ihr Geliebter mitten in der Nacht über den Felsengrat gekommen war, trotz des Schusses und trotz der Verfolger. Das machte ihm niemand nach, kein einziger!
    So eilte sie weiter, der Stadt entgegen. Sie erreichte dieselbe da, wo auch der Weg, welcher von drüben herüberkam, in die erste Gasse einbog. Ein mit zwei Pferden bespannter Leiterwagen kam ihr entgegen. An den noch an ihm hängenden Resten sah sie, daß der Knecht Heu geladen

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