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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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immer so bleiben.“
    „Du kennst das Menschenherz noch nicht. Es ist –“
    Er wurde unterbrochen. Die zum Nebenzimmer führende Tür, welche nur angelehnt gewesen war, wurde aufgestoßen, und der König trat herein.
    „Hochehrwürden, dringen Sie nicht weiter in sie!“ sagte er. „Es sind zwei Stimmen, welche jetzt auf sie eindringen, die Stimme der Kunst, welche trügerisch ist, und die Stimme des Herzens, welches stets nur Göttliches redet. Mag sie der letzteren gehorchen. Ich verzichte auf die Genugtuung, welche ich bereits fühlte bei dem Gedanken, ein einfaches Kind meines Volkes emporheben zu können zur Höhe, in welcher die göttlichen Musen walten. Vielleicht hat Leni recht. Sie kann als Künstlerin Gott dienen und viel Gutes wirken; aber denken Sie an die Worte Uhlands:
    ‚Doch schön ist nach dem großen
Das schlichte Heldentum.‘
    Leni hat sich für dieses schlichte Heldentum entschlossen, und vielleicht ist dasselbe Gott wohlgefälliger als der glänzende Ruhm, den wir ihr bieten und den sie verschmäht, weil sie auf die Stimme ihres Herzens und Gewissens achtet.“
    Und dem braven Mädchen die Rechte auf das Haupt legend, fuhr er fort:
    „Gehe hin und handle stets so, wie du heute gehandelt hast, Leni; dann wirst du stets den Frieden mit Gott und mit dir selbst genießen. Dein König bleibt dir gewogen, und hast du später einmal einen Herzenswunsch, so komme zu ihm; er wird dir ihn erfüllen. Für die Eltern des Krickel-Anton aber laß auch mich mit sorgen!“
    Sie sank in die Knie, küßte mit tiefster Bewegung die Hand des hohen Herrn und ging dann fort, gefolgt von dem Wurzelsepp, welcher mit seinem Alpenstock in der Luft herumhantierte, als ob er alle Welt erschlagen wolle.
    „Weißt, was du getan hast?“ fragte er grimmig.
    Sie antwortete nicht.
    „Eine Dummheit hast gemacht, eine unverschämt große und unverzeihliche!“
    Und nach einer Weile fragte er wieder:
    „Und weißt, was du bist?“
    Auch jetzt antwortete sie nicht.
    „Eine Gans bist, eine sehr dumme! Keine Sängerin werden wollen! Herrgottsakra! Wann doch nur mir mal so ein Weizen geblüht hätt! Ich hätt sogleich laut geschreit: ‚Ich will zwei Sängerinnen werden und meinswegen auch gar drei!‘ Wie hättst's haben können! Seidene Kleider, tausend Gulden das Stück, ein Kammerdiener, eine Jungfer, ein Kutscher, ohne die Köchin und alles andere! Und der König hätt sein Freud daran gehabt und der Wurzelsepp auch!“
    Er machte vor Grimm so schnelle und weite Schritte, daß sie Mühe hatte, ihm zu folgen, und zürnte weiter, indem er mit dem Stock fuchtelte:
    „Und der Ruhm, der Ruhm und die Ehr, die Ehr! Wann der Vorhang aufgeht, so schmeißen sie die Kränz von allen Seiten dir an den Kopf, und alle Tag kommt der Juweleriererei und bringt goldene Ring und Armbroschen und Halskastagnetterls oder Ohrdiademerls und Handbummerln, welche die Grafen und Herren dir kauft haben. Und wann ich dann mal komm, um dich zu besuchen, so trink ich Schokoladen und gieß Schamblanscher hinein, und die Köchin setzt mir Makkaroninuderln vor mit Kiefiar und Austernbrei. Und nachher setz ich mich in deine Eglipasche, fahr spazieren und streck den Leuten vor Stolz die ganze Zungen heraus! So sollte es sein! So konnte es sein! Aber du – du –!“
    Er drehte sich um, in der Absicht, ihr sein zorniges Gesicht zu zeigen. Sie war fort.
    „Herrgottsakra! Was ist denn das? Wo ist denn nun die Leni? Die ist mir allewegs eschappiert. Der hat mein Gezänk nicht gefallen wolln, und da hat sie sich halt nach rückwärts konsterniert wie die Franzosen. Aber ich lauf auch zurück und werd sie schon bald finden. Nachher soll sie schon ganz anderes noch anhören müssen.“
    Er wendete um, aber er fand die Leni nicht. Sie war, um ihn in ihrer Seelentrauer nicht auch noch anhören zu müssen, auf einem schmalen Gartenweg entschlüpft, welcher aus dem Dorf hinausführte. Sie wollte allein sein, allein mit den Gedanken und Gefühlen, welche auf sie einstürmten.
    Der Antrag des Königs hatte gar wohl einen tiefen Eindruck auf sie gemacht. Wäre das nicht heute, sondern später gewesen, wo der Schmerz sich gemildert haben würde, so hätte sie vielleicht nicht nein gesagt, denn das Singen war ihre Lust, ihre Passion. Fast war es ihr, als müsse sie umkehren und dem König sagen, daß sie seinen Wunsch erfüllen wolle.
    So ging sie langsam hinter dem Dorf hinab bis in die Gegend, wo der Weg empor zur Wohnung der Nachtwandlerin führte. Da wurde sie

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