66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
ob du ihm den Gefallen tun und ja sagen willst.“
„Ich soll dem König einen Gefallen tun? Ja, das will ich schon herzensgern. Ich möcht ihm mein Leben geben, wann es gut für ihn ist. Aber eine Theatersängerin werden – nein, geistlicher Herr, das kann ich nicht.“
„Sapperment!“ entfuhr es dem Wurzelsepp.
„Warum nicht?“ fragte der Pfarrer.
„Weil – weil – ich kann's nicht sagen.“
„Mir kannst du es doch sagen und dem Sepp auch. Er ist dein Pate und Vater, und ich bin dein geistlicher Berater, vor welchem du keine Geheimnisse haben sollst. Dir graut wohl vor dem sündenhaften Bühnenleben?“
„Ich weiß nicht, was die Bühn ist, und weiß auch nicht, ob's dort eine so große Sünde gibt.“
„So hast du einen andern Grund?“
„Ja.“
„Welchen?“
„Ich möcht's gern nicht sagen, geistlicher Herr.“
„Dummheit!“ fuhr der Wurzelsepp auf. „Wann du's nicht sagst, so sag ich's!“
„Ja, sag du's!“
„Ihr Grund ist nämlich der Krickel-Anton.“
„Ah!“ machte es der Pfarrer. „Ist er dein Geliebter, liebe Leni?“
„Ja“, antwortete sie errötend.
„Ein Wilderer!“
„Aber ein braver Bub!“ antwortete sie schnell.
„Ob ein Wilderer brav sein kann, darüber wollen wir nicht streiten: er kann auf keinen Fall der Grund sein, daß du den Wunsch des Königs nicht erfüllst, denn er ist nun ja tot.“
„Grad eben weil er tot ist, kann ich nicht.“
„Wieso?“
„Schau, geistlicher Herr, der Anton wollt heut nach Haus und seinen Eltern das Geld geben, was ihm der König geschenkt hat. Sie sollten davon leben, und er wollte indessen in das Gefängnis gehen, um freiwillig seine Straf anzutreten. Danach wollte er nie wieder eine Gams schießen, und wir wollten Mann und Weib werden und brav arbeiten. Das hatten wir uns so gut und schön ausgenommen, und nun ist er erschossen worden!“
Sie begann zu weinen.
„Das freut mich“, sagte der Pfarrer ernst. „Also ist er doch mit dem festen Vorsatz der Besserung gestorben und wird nun bei Gott Gnade finden. Aber dich kann das in deinem Entschluß nicht beengen.“
„Gar wohl! Ich muß doch zu seinen Eltern!“
„Wie meinst du das?“
„Die hab ich halt von ihm geerbt. Sie sind alt und arm. Ich hatt ihm versprochen, sie oft zu besuchen, wenn er im Gefängnis sitzt. Nun ist er gar für immer fort, und da muß ich freilich nun ganz zu ihnen gehen.“
„Welch eine Dummheiten!“ zürnte der Sepp.
Aber über das Gesicht des Pfarrers ging eine tiefe Rührung. Er streckte dem Mädchen die Hand entgegen und sagte:
„Das ist brav gedacht von dir. Du hast das Herz da, wo es hingehört, Leni: aber wie nun, wenn die Eltern auch ohne dich auskommen?“
„Das können sie nicht.“
„Ich meine, wenn ihnen unser guter König um deinetwillen ein kleines Jahresgehalt zahlte?“
„Das wäre sehr brav und lieb, und ich wollt für ihn beten dafür, aber Geld tut es doch nicht; ich muß halt selber hin zu ihnen.“
„Wohl! Ich will nicht in dich dringen; ich darf dein Herz nicht hindern, in seiner Weise Gutes zu tun; aber es ist auch meine Pflicht, dir zu sagen, worauf du verzichtest. Es öffnet sich vor dir eine Bahn des Ruhmes und der Ehre; du sollst eine Künstlerin werden, welche da wirkt zum Preise Gottes und den Menschen zur Erhebung. Du kannst da an einem einzigen Tag mehr Gutes wirken, als sonst während deines ganzen Lebens, wenn du zu den Eltern Antons ziehst. Kennst du das Gleichnis von dem ungetreuen Haushalter oder von den verschiedenen Pfunden? Die Heilige Schrift verbietet es, das von Gott empfangene Pfund zu vergraben. Du willst die dir verliehene Gabe verkümmern lassen; wenn du das tust, so machst du dich einer schweren Sünde schuldig. Bedenke das wohl, meine Tochter!“
Es entstand eine Pause. Leni blickte vor sich nieder. In ihrem Gesicht sah man den Ausdruck der verschiedensten Gefühle kommen und gehen. Endlich erhob sie den schönen, jetzt so ernsten Kopf und sagte:
„Ich kann nicht, Hochwürden. Wann ich müßt vor den Theaterleuteln singen, dann müßt ich an den Anton denken und an seine alten, lieben Eltern, und dann tät ich steckenbleiben, denn die Kehl hätt gar keinen Platz für den Gesang.“
„Das denkst du jetzt. Das Herzeleid, welches dich heut bewegt, wird seine Macht mit der Zeit verlieren, und dann wirst du es bitter bereuen, heut nicht auf meinen Vorschlag eingegangen zu sein.“
„Ich glaub's nicht, ich glaub's nicht. Was ich heut denk und fühl, das wird stets und
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