66095: Thriller (German Edition)
Stier, und es sah aus, als ob sich hier Kräfte unter Überdruck bündelten und ein Ausbruch bevorstand. Gregors Nasenflügel blähten sich, und die Venen an seinen Schläfen traten hervor. »Und ich bin auch mehr, als er denkt«, sagte er.
»Schalten Sie es ab! Jetzt!«, befahl MacPherson aufgebracht, der gerade oben an der Treppe angelangt war.
Der Forschungsassistent warf seinem Chef einen finsteren Blick zu. Dann drehte er sich um und tippte einige Befehle in den Computer. Sofort sank das Energieniveau in dem Drahtgewirr um den Stein, das Summen erstarb, und nach wenigen Augenblicken war der Stein in Dunkel gehüllt.
Gregor hörte noch, wie MacPherson rief: »Nächsten Dezember werden sie Carson MacPherson in Genf nicht mehr ignorieren!« Dann fiel die Tür zum Büro seines Chefs ins Schloss.
Gregors Blick wanderte über die elektrischen Geräte auf den Arbeitstischen und fiel schließlich auf ein langes, dünnes Kabel, das auf dem Boden lag. Eine ganze Weile starrte er das Kabel an. Dann bückte er sich, hob es auf und wickelte die Enden um seine Hände. Langsam ging er zur Treppe und schritt die Stufen hinauf.
MacPherson saß vor seinem Computer, den er gerade eingeschaltet hatte. Leise trat Gregor ein und zog behutsam die Tür hinter sich zu. Bevor MacPherson wusste, wie ihm geschah, hatte ihm der Forschungsassistent das Kabel um den Hals gelegt und es mit einem Ruck zusammengezogen.
»Ich kann nicht zulassen, dass Sie das tun, Doktor«, knurrte Gregor, diesmal ohne zu stottern. »Ich bin der Einzige, der das Potenzial des Steins begreift. Der Einzige.«
Einstieg
13. Juni 2007
23.30 Uhr
14 Valley Lane
Tarrington, Kentucky
Whitney Burke stöhnte, zuckte und zitterte im Schlaf. In ihrem Albtraum stieg das Wasser, eine trübe, wirbelnde Brühe, und überflutete die Höhle, in der sie gefangen war. Sie drückte sich gegen die Höhlenwand, versuchte, dem Wasser zu entfliehen, aber es brandete gegen die Felsstufe, auf der sie Zuflucht gesucht hatte. In der kleinen Höhle waren es nur noch sechzig Zentimeter Luftraum zwischen Wasseroberfläche und Decke.
Im hellen Licht der Stirnlampe an ihrem Helm sah sie in dem wirbelnden kupferfarbenen Gebräu plötzlich Luftblasen aufsteigen, als hätte sich irgendwo stromabwärts ein größeres Hindernis gelöst Das Wasser stieg rasch um weitere zehn Zentimeter. Dann kam die Leiche zum Vorschein, trieb mit dem Gesicht nach unten im unruhigen Wasser.
Whitney stöhnte, als die Leiche gegen ihre Stiefel schlug. Sie zitterte so heftig, dass sie sich kaum noch auf dem Felsvorsprung halten konnte. Schließlich glitt sie aus und stürzte in das eisige Wasser, die Leiche war nun dicht neben ihr. Das Licht ihrer Lampe blitzte auf und erlosch. Sie klammerte sich an den Felsen über ihrem Kopf und versuchte, wieder auf der Stufe Fuß zu fassen, nur weg von der Leiche, die nun gegen sie stieß und sich umdrehte.
Der Ertrunkene war Tom, ihr Mann.
Whitney fuhr in die Höhe, ihr Nachthemd war schweißgetränkt, ihr rotblondes Haar verfilzt, ihr Gesicht von Angst verzerrt. Sie befreite sich von der Bettdecke, stand auf, stolperte zum Fenster, riss es auf und atmete gierig den frischen Lufthauch des Spätfrühlings in Kentucky ein.
Um die Panik niederzukämpfen und ihren zitternden Körper zu beruhigen, konzentrierte sie sich auf die Schatten, die das Mondlicht auf den Rasen zeichnete. Aber es half alles nichts, der Albtraum ließ sich nicht verbannen: Sie sah ihren Mann, wie er sich im Wasserstrudel des Schreckenslochs drehte, eine zimtfarbene Flüssigkeit lief ihm aus dem Mundwinkel, und er starrte sie wie ein Höhlenkrebs aus pupillenlosen Augen an.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, sie wirbelte herum und schrie: »Nein! Nicht!«
Tom Burke zuckte zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Whitneys Mann war vierzig, sah aber wie dreißig aus; in seinem kurzen schwarzen Haar zeigten sich vor der Zeit erste Silberfäden; seine Augen waren graublau. Er trug eine abgetragene rote Sporthose und ein gelbes T-Shirt, das für Petzl-Kletterhelme warb. Jeder Knochen, jeder Muskel, jede Sehne von Toms Körper zeugte von eiserner Kraft. Sein Gesicht aber war von Müdigkeit und Missmut gezeichnet. »Du erträgst es nicht mal mehr, wenn ich dich anfasse, Whit«, murmelte er.
Whitney bewegte die Lippen, brachte aber keinen Ton heraus. Immer noch hatte sie vor Augen, wie sich ihr Mann im strudelnden Wasser drehte.
Die Schlafzimmertür ging auf. »Mom? Dad?« Die Stimme
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