69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
Ereignis sofort in nähere Beziehung brachte.
In dem Haus war es ungewöhnlich still, gar nicht wie früher, als die lauten, befehlenden Stimmen des Silberbauern und seines Sohnes das Gesinde immer außer Atem gehalten hatten. Es hatte sich der Dienstboten ein heilsamer Schreck bemächtigt. Sie verrichteten ihre Arbeiten jetzt in möglichster Ruhe, gar nicht mit der lauten, polternden Hast wie früher.
Das hatte seinen Grund nicht nur in dem wohlverdienten Schicksal, welches über ihren Herrn hereingebrochen war, sondern auch in dem Umstand, daß sich der Balzerbauer jetzt hier befand und die Leitung des Gutes übernommen hatte.
Vielleicht war es ein Wagnis zu nennen, daß der Assessor einen Menschen, der bisher für einen Wahnsinnigen gehalten worden war, die Aufsicht über die Bewirtschaftung eines so großen Heimwesens anvertraut hatte. Aber einesteils hatte er dies nur nach einer eingehenden Besprechung mit dem Medizinalrat getan, und andernteils war es ihm eine wirkliche Herzensangelegenheit gewesen, dem armen Feuerbalzer, welcher durch den Silberbauern so viel gelitten hatte, diese Genugtuung zu verschaffen.
Und eine große Genugtuung war es freilich, ganz besonders für die Feuerbalzerin, die alte Frau, welche so lange Jahre hindurch gehungert und gekümmert hatte und wegen ihrer großen Armut von den Leuten verachtet worden war.
Sie fühlte sich jetzt wieder als eine Frau, welche ein gewichtiges Wort zu reden hatte. Da sie mehr als arm an Kleidern war, so hatte sie sich einstweilen aus dem Vorrat, welchen Martha zurückgelassen hatte, einiges für sie Passende ausgesucht. Nun konnte sie sich auch in dieser Beziehung sehen lassen, und – sie ließ sich sehen.
Mit dem großen Schlüsselbund am Schürzenband ging sie durch alle Räume, um das Reich, dessen Regierung ihr nun anvertraut worden war, kennenzulernen, und wehe der Magd, welche sich bei irgendeiner Ungehörigkeit ertappen ließ! Die Alte nahm sich der Wirtschaft mit einem Eifer und einer Pflichttreue an, als ob der Silberhof jetzt ihr Eigentum sei.
„Und wer kann's wissen, wie es noch wird!“ sagte sie zu ihrem Sohn. „Der Silberbauer hat uns alles nommen; er muß es uns nun auch wiedergeben. Und woher sollen wir's erhalten? Doch vom Silberhof! Vielleichten kommt's gar noch so weit, daß der verrückte Feuerbalzer ein Silberbauern wird. Es gibt einen Herrgott und eine Gerechtigkeiten. Und nachdem wir so viel und auch so lang gelitten haben, kann man es uns gönnen, daß es uns nun auch wiederum mal wohlgehen mag.“
Als der Fex mit dem Finken-Heiner oben in die Schlafstub trat, in welcher der Silberbauer lag, befand sich der Lehrer da und mit ihm noch einige Männer, denen die Bewachung des Fieberkranken anvertraut war.
Dieser letztere hielt die Augen geschlossen, als ob er schlafe, doch befand sich sein Geist nicht in einem Zustand der Ruhe. Die Lippen bewegten sich unaufhörlich, und ein leises Flüstern und Murmeln deutete an, daß er sich trotz seiner äußeren Bewegungslosigkeit innerlich mit allerhand Phantastereien beschäftige.
Der Lehrer gab den Eintretenden einen Wink, ruhig zu sein; deshalb sagte der Finken-Heiner leise zu ihm, auf Fex deutend: „Wer mag dieser wohl sein?“
Der Lehrer warf einen prüfenden Blick auf den Fex und antwortete lächelnd:
„Ich weiß es nicht, deshalb muß ich Sie bitten, mir seinen Namen zu nennen.“
„Es ist der Fex, von dem 'S wohl bereits gehört haben.“
„Ah, das ist eine Überraschung, obgleich ich weiß, daß der Herr Assessor nach München hat telegrafieren lassen, um ihn für heut nach Scheibenbad zu rufen. Willkommen, Herr – Herr – ja, wie habe ich Sie denn eigentlich zu nennen?“ wandte der Lehrer sich an Fex.
Er reichte, indem er diese Frage aussprach, den angehenden Violinvirtuosen die Hand, welche dieser lebhaft schüttelte.
„Der Heiner hat ja soeben meinen Namen genannt“, antwortete der Fex.
„Aber Sie müssen doch einen andern haben. Sie können doch unmöglich Fex heißen!“
„Bevor ich das Recht erlangt habe, meinen wirklichen Namen zu führen, mögen Sie mich immerhin so nennen. Ich bin an ihn gewöhnt, und darum hat er nichts Fremdartiges oder wohl gar Unangenehmes für mich.“
„Ja“, meinte der Heiner, indem er eine sehr bedeutungsvolle Miene zeigte, „wann 'S seinen wirklichen Namen wüßten, Herr Lehrern, da täten's sich wohl gar gewaltig verwundern. Er ist nämlich –“
„Pst!“ unterbrach ihn der Fex. „Davon wollen wir jetzt nicht
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