69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
dieselbe Kleidung trugen, wie sie in jener Gegend gebräuchlich ist – schwarze, enge Lederhosen mit hohen Stiefelschäften darüber, rote Samtwesten mit blinkenden Metallknöpfen und eine kurze Jacke ohne Schöße.
Beide waren lang und hager; beide hatten dünne, scharfe Gesichtszüge und die Haut voll großfleckiger, häßlicher Sommersprossen. Das Haar des Jungen war semmelblond und struppig, das des Alten grau und ganz kurz verschnitten. Beide hatten dieselbe Physiognomie, das Gesicht des Fuchses, welcher sich Mühe gibt, ungefährlich zu erscheinen. Dabei war das Auftreten des Sohnes ein außerordentlich dummdreistes. Häßlich, sehr häßlich waren beide. Das konnte nicht geleugnet werden.
„Da ist unser Besuch“, sagte der Kery-Bauer. „Meine Frauen heißen euch willkommen.“
„Wer's glaubt!“ lachte der alte Osec.
„Warum wollen Sie es nicht glauben?“ fragte Gisela im munteren Ton. „So angesehene Leute sieht man nur zu gern kommen.“
„Wettermädel, du gefällst mir! Komm, gib mir deine Hand!“
Sie streckte sie ihm entgegen. Er drückte sie ihr und schob sie dann seinem Sohne zu.
„Siehst du auch den gern kommen?“
„Natürlich! Ein Junger ist einem allemal lieber als ein Alter.“
„Glaub's! Wenn er dir wirklich lieber ist, so gib ihm keine Hand, sondern einen Kuß!“
„Den kann er ganz gern haben.“
Sie hob wirklich das hübsche Gesichtchen zu dem langen Burschen empor. Dieser war schnell bereit, diesen so unerwarteten Genuß in Empfang zu nehmen, und bückte sich nieder. Mit gespitztem Munde und hab geöffneten Lippen wollte er sie küssen. Da aber hob sie blitzschnell die Hand und schob ihm etwas in den Mund.
„Da ist der Kuß!“ lachte sie.
Er fuhr zurück, starrte sie überrascht und enttäuscht an, kaute, sprudelte und spuckte dann den Gegenstand aus.
„Pfui Teuxel!“ rief er. „Was war das?“
„Dreierlei. Schmeckt es nicht?“ fragte sie. „Ist nicht notwendig. Es war Butter, Pfeffer und Petroleum. Ich hab mir einen Vorrat gemacht davon. Vielleicht bekommst du später wieder Appetit.“
Die Knechte und Mägde lachten, daß es schallte.
„Was habt ihr zu feixen!“ zürnte der Kery-Bauer. „Und dir Mädchen, sage ich, daß ich mir so dumme Witze gegen einen geladenen Gast verbitte!“
„Laß sie; laß sie nur!“ beruhigte ihn der alte Osec. „Was sich liebt, das neckt sich. Das ist eine alte Sache. Du mußt es doch auch wissen, denn du bist ja auch mal jung gewesen.“
„Aber solche Küsse haben wir uns damals doch nicht geben lassen!“
„Andre Zeiten, andre Sitten! Vielleicht ist jetzt Pfeffer und Petroleum an der Mode. Aber da sehe ich ja den Ludwig. Grüß dich Gott, Bursche! Hast auch die Kleidung umgewechselt?“
Er reichte ihm die Hand.
„Was geht dich dem seine Kleidung an!“ sagte der Hausherr zornig. „Soeben hatte ich ihn ausgezankt, daß er sich an einem Festtag nachmittags, an welchem man noch dazu so liebe Gäste bekommt, in dieser Kleidung herzusetzen wagt.“
„Was? Ausgezankt ist er worden? Das hat er nicht verdient.“
„So? Warum denn?“
„Das wirst du wohl wissen.“
„Ich weiß gar nichts.“
„Hat er nichts erzählt?“
„Kein Wort. Diesem Kerl möchte man eine jede Silbe abkaufen.“
„Das ist nicht nötig“, fiel da der Ludwig ein. „Wenn es nötig und am rechten Platz und in der richtigen Zeit ist, weiß ich schon auch zu reden; aber schwatzen ist freilich nicht meine Angewohnheit. Hätte ich von der Sache erzählt, so wäre es herausgekommen, als ob ich mich rühmen wollte.“
„Wenn du nicht schwatzhaft bist, warum schwatzt du da jetzt?“
„Weil es an der Zeit war.“
„Das finde ich nicht. Und rühmen? Ich möchte wissen, wessen du dich rühmen könntest.“
„Zanke nicht! Er hat recht!“ erklärte der alte Osec. „Wenn er nicht gewesen wäre, ständen wir beide nicht hier.“
„Warum?“
„Weil wir da ersoffen wären.“
„Unsinn! Ersoffen!“
„Freilich. Er sprang uns nach und holte und beide heraus.“
„Wo? Und wie sollte das geschehen sein?“
„Wir fuhren die beiden neuen Füchse zum ersten Male aus. Das sind zwei höllische Bestien. Sie gingen uns durch.“
„Euch? Hahahaha! Das könnte mir wohl nicht passieren!“
„Vielleicht noch leichter als uns! Kurz und gut, sie gingen uns durch. Es war uns geradezu unmöglich, sie zu halten. Sie rannten in Karriere dem Fluß zu. Alles, was wir konnten, war sie nach der Brücke zu bringen. Aber das verschlimmerte die Sache.
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