Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

Titel: 69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
kann.“
    Die Tochter betrachtete die Mutter genauer. Der Hieb, den die letztere erhalten hatte, hatte eine Spur zurückgelassen, welche Gisela jetzt bemerkte.
    „Um Gottes willen! Der Vater hat dich geschlagen!“ entfuhr es ihr.
    „Nein, Kind! Wie kannst du so etwas nur denken!“
    „Nur denken? Meinst du, wir alle wüßten es nicht, daß er dich zuweilen mißhandelt?“
    „Was? Wie? Ihr wißt es?“
    „Ja, Mutter. Ich habe es dir noch nicht gesagt, um dich nicht zu betrüben. Jetzt aber, da ich es ganz genau an deiner Wange sehe, kann ich es nicht mehr verschweigen. Nicht wahr, er hat dich geschlagen?“
    „Er war zornig, sonst hätte er es nicht getan, mein Kind.“
    „Also doch! Meine Mutter geschlagen. Mein lieber Gott! Und zwar meinetwegen!“
    „Warum vermutest du das?“
    „Ich weiß es. Du hast ihm widersprochen. Du hast es nicht dulden wollen.“
    „Was denn?“
    „Daß ich den Osec nehmen soll.“
    „Wie! Du weißt es bereits?“
    „Ja. Ludwig erzählte es seiner Mutter, und ich belauschte es. Die Osecs haben es ihm gesagt, daß sie kommen werden, zur Versprechung wohl bereits.“
    Die Bäuerin trocknete ihre Tränen, blickte die Tochter verwundert an und sagte:
    „Und das sagst du so lachenden Mutes!“
    „Ist dieser Stephan es denn wert, daß ich seinetwegen nur eine einzige Träne vergieße?“
    „Nein, gewiß nicht!“
    „Nun, so laß mich also lachen!“
    „Aber, Kind, ich begreife dich nicht! Ich habe dem Vater widersprochen, bis er mich sogar schlug. Ich habe es für ein gräßliches Unglück angesehen, und du lachst!“
    „Weil es mir wirklich lächerlich ist, zu denken, daß ich diesen Menschen heiraten soll.“
    „Aber dem Vater ist es Ernst, wirklicher und wahrhaftiger Ernst!“
    „Das glaube ich wohl.“
    „Und der wird dich zwingen, einzuwilligen!“
    „Das glaube ich nicht.“
    „Höre, Gisela, du weißt, daß er es nicht duldet, ihm zu widersprechen.“
    „Und ich werde ihm doch widersprechen.“
    „So wird es so lange entsetzliche Szenen geben, bis er dich zwingt, ja zu sagen.“
    Jetzt nun nahmen die Züge Giselas einen ernsten Ausdruck an. Sie antwortete:
    „Ja, werde, ich nicht sagen, nun und nimmermehr. Ich würde mich eher in das Wasser stürzen, als mich von diesem Menschen anders berühren lassen, als wie einen ein jeder berühren darf.“
    „Aber der Vater wird dich zwingen! Ich wiederhole es.“
    „Nein, und abermals nein, und tausendmal nein! Es wird keine Szenen geben. Darauf kannst du dich verlassen. Ich werde mich mit dem Vater gar nicht zanken. Ich bin ihm bis heut in allem gehorsam gewesen; hier in diesem Fall würde der Gehorsam der reine Selbstmord sein.“
    „Was willst du denn aber tun?“
    „Das weiß ich noch nicht genau. Ich will es mir noch überlegen. Nur das weiß ich, daß ich mich nicht zanken werde. Mit offenem Widerstand kommt man beim Vater nicht aus. Ich muß erst mit meinem Verbündeten reden.“
    „Hast du einen solchen?“
    „Ja.“
    „Wer könnte das sein?“
    „Ludwig.“
    „Der? Dein Verbündeter?“
    „Ja, ohne daß er es weiß. Ich hörte, daß er zu seiner Mutter sagte, er werde es nicht dulden, daß der Osec mich bekomme. Und ich glaube, er weiß ein Mittel, den Vater von seinem Vorhaben abzubringen.“
    „Welches wäre das?“
    „Das weiß ich selbst noch nicht, werde es aber hoffentlich recht bald erfahren. Komm also herab, Mutter. Wir wollen den Kaffee fertig machen. Und dann, wenn die Osecs kommen, sind wir so freundlich gegen sie, daß der Vater ganz irr werden muß an uns!“
    „Kind, ich möchte schon jetzt ganz irr an dir werden. Du bist ja wie ganz umgewechselt!“
    „Das bin ich auch. Dieser Stephan soll sich verrechnet haben.“
    „Vielleicht bist du es, die sich verrechnet!“
    „Nein, nein. Es ist doch ganz unmöglich, daß ich ihn heirate, denn – denn –“
    „Denn – nun, was denn?“
    „Denn ich weiß bereits einen andern.“
    „Was? Wie? Hast du etwa einen Schatz, ohne daß ich es ahne?“
    „Nein.“
    „Aber du redest doch von einem andern!“
    „Ja freilich. Er ist mein Schatz nicht, aber ich habe ihn unendlich lieb und er mich auch. Du siehst also, daß der Osec heut umsonst kommt.“
    Da schlug die Mutter die Hände zusammen, schüttelte den Kopf und sagte staunend:
    „Mädchen, du bist wirklich ganz plötzlich eine vollständig andere geworden. Ich kenne dich gar nicht mehr!“
    „Das glaube ich wohl. Wenn ich nicht ich selber wäre, würde ich mich auch nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher