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69

69

Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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noch Leid tun, eines schönen Tages würde er verflucht werden und sterben. Und eines Tages machte sein Herz schlapp, und er fiel tatsächlich tot um. Ich war davon überzeugt, dass er verhext worden war. Darum presste ich beim Aufbruch zu meinen Pornofilm-Ausflügen jedes Mal meine Handflächen gegeneinander, während ich auf den Grabstein trat, und sagte: »Vergib mir, vergib mir, vergib mir«, immer und immer wieder. Auch dieses Mal betete ich, aber jetzt war es etwas anderes. Ich ging mir nicht einen schmutzigen Film ansehen, ich ging los, um die Schule zu verbarrikadieren. Revolution. Ganz bestimmt würden die Geister der Toten diesmal ein Auge zudrücken.

    Alle waren um Mitternacht da und standen unter dem Kirschbaum neben dem Pool. Wir teilten uns in zwei Gruppen: Die eine sollte Graffiti malen und die andere die Tür zum Dach versperren und das Transparent aufhängen. Ich war bei den Graffitimalern. Adama auch. Für das Team auf dem Dach war es gefährlicher: Nachdem sie von außen die Tür verbarrikadiert hatten, mussten sie an Seilen herunterklettern. Ich köderte Narushima, Otaki und alle anderen Jungs bis auf einen, indem ich ihnen sagte, es sei der revolutionärste Teil der ganzen Operation. Adama hatte Höhenangst, und ich wollte einfach nicht riskieren, mir wehzutun.
    Wir wollten gerade loslegen, als Fuse, ein dunkler, kleiner Kerl mit einer dreckigen Fantasie, sagte: »Wartet einen Moment.«
    »Was ist los, Mann? Wir haber doch gerade alles besprochen.«
    Ein zögerndes, lüsternes Lächeln breitete sich über Fuses Gesicht aus.
    »Es ist nur so, dass, äh, also, so eine Chance bekommen wir nicht so oft.«
    Eine Chance?
    »Ich hab’ vor einer Weile nachgeguckt, und er war nicht abgeschlossen.«
    Abgeschlossen?
    »Der Umkleideraum der Mädchen. Können wir uns nicht, sagen wir, fünf Minuten Zeit nehmen und einen Blick hineinwerfen?« Er ließ ein kurzes geiles Kichern hören.
    Es gab nur eine Möglichkeit, darauf zu reagieren.
    »Hör mal, du verdammtes Arschloch, wir haben hier eine heilige Mission zu erfüllen, und du willst in den Umkleideraum der Mädchen linsen? Wenn das alles ist, was du im Kopf hast, Mann, dann wird die Operation ein Fehlschlag, noch bevor wir überhaupt angefangen haben.«
    Aber keiner sagte etwas Derartiges. Wir alle stimmten auf der Stelle Fuses Plan zu.

    Ein süßer Duft wehte hier und da durch den Raum. Nicht, dass es im ganzen Raum so roch. Während man im Dunklen herumtastete, fing man plötzlich einen Hauch von dem unverwechselbaren Duft eines Mädchens ein, das bald zur Frau erblühen würde. Niemand geht in seiner Unterwäsche schwimmen, das bedeutete, dass sich die Mädchen hier ganz auszogen - das war es, woran wir alle dachten. Jeder fuhr mit seinen Händen über die Regale an der Wand. Ich sagte ihnen, sie sollten das lassen, aber als Masutabe einen Slip in der Ecke des untersten Regals fand, flippten sie alle aus und begannen wie verrückt nach anderen Dingen zu suchen, die vielleicht zurückgelassen worden waren.
    Es kotzte mich an, dass sie meiner Anweisung, Handschuhe zu tragen, nicht gefolgt waren, und ich beriet mich mit Adama.
    »Was machen wir wegen der Fingerabdrücke? Sie sind überall auf den Regalen.«
    »Beruhig dich. Die Bullen haben doch deine Fingerabdrücke nur, wenn du vorbestraft bist, oder?« Adama blieb auch in diesem ganzen Chaos cool. »Glaubst du, sie nehmen im ganzen Mädchenumkleideraum Fingerabdrücke und vergleichen sie dann mit denen von allen Leuten in der Schule? Nie im Leben. Es geht hier ja nicht um Mord oder so.«
    »Ken-san ...« Nakamura, einer von den Schülern aus der zweiten Klasse, trat zwischen uns. »Es tut mir Leid«, sag-ter er mit einer sehr leisen Stimme, »aber ... ich bin erledigt. « Er schien den Tränen nahe.
    »Erledigt?«, fragte Adama angespannt. »Was willst du damit sagen?«
    »Meine Fingerabdrücke. Ich habe meine Handschuhe vergessen, und meine Fingerabdrücke sind auf den Regalen.«
    »Mach dir keine Sorgen. An so einem Ort werden sie nicht anfangen herumzuschnüffeln. Und auch wenn sie es tun würden, wüssten sie sowieso nicht, von wem die Abdrücke sind.«
    »Sie, sie werden wissen, dass es meine sind. In unserem ersten Jahr an der Mittelschule haben wir doch Salz hergestellt, wisst ihr? Als wissenschaftliches Experiment. Und ich hab Natriumhydroxid an die Finger gekriegt, und die Haut an meinen Fingerkuppen ist wie weggeschmolzen. Mein Bruder sagt, es gibt wahrscheinlich niemand in Japan, der solche

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