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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ergriff und betrachtete ihn. Dann ging er eiligst hinab in die Stube. Einen raschen, forschenden Blick auf Mutter und Tochter werfend, fragte er:
    „War jemand in meiner Stube?“
    „Ja, ich“, antwortete Gisela.
    „Hast du den Brief gesehen, welcher auf dem Tisch lag?“
    „Ja.“
    „Ihn wohl auch gelesen?“
    „Ja.“
    „Die Mutter auch?“
    „Ich habe ihn ihr herunter gebracht.“
    Da schritt er zornig auf sie zu, holte aus und – er hielt den Arm ausgestreckt, ohne den Schlag zu führen. Seine Tochter blickte ihm starr in die Augen.
    „Schlag doch zu!“ sagte sie.
    „Verdammtes Geschmeiß, welches überall herumkriecht und nach Heimlichkeiten hascht!“
    Er ließ den Arm sinken und schritt nach der Tür. Dort aber drehte er sich noch einmal um und fragte:
    „Waren die Osecs hier?“
    „Ja.“
    „Was sagten sie?“
    „Daß sie um neun Uhr wiederkommen wollen. Sie sind in der Schenke.“
    „Schön! Ah – da kommen sie. Wahrscheinlich haben sie mich vorbeireiten sehen.“
    Er ging hinaus. Soeben kamen die Osecs zur Haustür herein.
    „Da bist du ja“, sagte der Alte. „Wir sahen dich kommen. Wo bist du denn gewesen, daß du gar nicht auf uns hast warten können?“
    „Das sollt ihr erfahren. Kommt herauf!“
    Seine Stimme hatte einen eigentümlichen heiseren Klang. Er schritt ihnen voran. Droben angekommen, brannte er die auf dem Tisch stehende Lampe an. Es war bereits dunkel in der Stube.
    Die beiden nahmen gemächlich Platz. Sie dünkten sich, Herren der Situation zu sein. Darum fiel es ihnen auch gar nicht ein, aus den starren, jetzt unheimlichen Zügen Kerys etwas für sie Schlimmes zu lesen.
    Er setzte sich nicht zu ihnen. Er blieb stehen, lehnte sich an die Wand, verschlang die Arme über der Brust und fragte:
    „Nun, was habt ihr mir zu sagen?“
    „Das fragst du uns?“ meinte der Alte im Ton der Verwunderung.
    „Du hörst es ja.“
    „Vielmehr haben wir zu fragen, was du uns zu sagen hast.“
    „Vorderhand nichts.“
    „So! Aber später?“
    „Vielleicht“, nickte er finster.
    „Wir wollen uns natürlich deine Antwort holen. Wie steht es? Gibst du deine Tochter meinem Sohn?“
    „Nein.“
    Das klang so bestimmt, daß Osec fast erschrocken aufblickte. Eine solche Antwort hatte er nicht erwartet.
    „Nicht! Was fällt dir ein!“
    „Es ist kein Einfall; es ist eine sehr wohl überlegte Antwort.“
    „Hoffentlich meinst du es anders.“
    „Ich wüßte nicht, wie.“
    „Du willst ja sagen anstatt nein.“
    „Nein. Dein Sohn bekommt meine Tochter nicht.“
    Da stand Osec langsam vom Stuhl auf.
    „Ist das wirklich der Bescheid, den du uns zu geben hast?“
    „Natürlich.“
    „Warum gibst du deine Einwilligung nicht?“
    „Weil ich mein Kind nicht unglücklich machen will.“
    „Alle Teufel! Das Mädel muß froh sein, wenn es einen solchen Mann bekommt!“
    „Ja, einen Spieler und Pascher!“
    Das klang im Ton größten Hohnes.
    „Bist du das nicht selber?“
    „Leider!“
    „So ist es doch kein Grund, dich zu weigern!“
    „Oh, ich habe heut eingesehen, was für ein elender Kerl ich gewesen bin. Ich habe mein Glück, eine gute Frau und ein liebes, braves Kind zu besitzen, nicht erkannt. Ich habe mein Eigentum verspielt. Ich habe – ah pah, das Lamentieren hilft nun doch nichts. Aber ich will meine Tochter vor dem Schicksal bewahren, dem ich verfallen bin. Sie soll glücklicher werden als ich.“
    „Du bist ein Dummkopf!“
    „Gewesen, jetzt aber nicht mehr!“
    „Unsinn! Nimm Verstand an!“
    „Den habe ich. Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe.“
    Da schob der alte Osec seinen Stuhl beiseite, griff nach dem Hut und sagte:
    „So sind wir miteinander fertig!“
    „Ja.“
    „Wenigstens für heut. Das übrige wird nachfolgen.“
    „Ich erwarte es ruhig.“
    „Ruhig? Das glaube ich nicht.“
    „Hm! Bin ich etwa nicht ruhig?“
    Osec betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen. Es begann in ihm sich ein ganz eigenartiges Gefühl zu regen – er fürchtete sich vor dem Mann, dessen Freund er sich genannt hatte und der jetzt so kalt, so stolz und finster vor ihm stand.
    „Ja, ruhig bist du“, sagte er. „Aber wenn du wüßtest, was nun kommt, so würdest du es nicht sein.“
    „So! Was wird denn kommen?“
    „Die Wechselklage.“
    „Und nachher?“
    „Du mußt aus dem Hof.“
    „Und nachher?“
    „Ziehen wir herein.“
    „Und nachher?“
    „Donnerwetter! Frag doch nicht so albern! Oder meinst du, daß wir dich etwa nicht verklagen

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