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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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angebunden worden war, hatte er bereits noch am Abend gehört; aber daß der freche Wilderer und Dieb dann beim Förster eingebrochen sei, davon hatte er keine Ahnung.
    Auch seine Frau heuchelte einen großen Schreck.
    „Da ist man ja seines Lebens gar nicht mehr sicher!“ klagte sie. „Der Kronenhof liegt so einsam vor dem Dorf. Da ist's gar leicht möglich, daß dieser Spitzbub uns auch mal so einen Besuch macht. Ich werd Gewehre kaufen lassen, damit man ihn gleich niederschießen kann, wann er es wagen sollt, bei uns einzubrechen.“
    Der Beamte beachtete diese Auslassung nicht. Er ließ den Wagen leer nach der Försterei fahren und begab sich mit den Leuten zu Fuß nach der Stelle, an welcher gestern abend der Oberleutnant angefallen worden war.
    Als die beiden Eheleute sich dann allein befanden, ergingen sie sich in Auslassungen über die Unsicherheit der Gegend.
    „Wann ich sehen könnt“, sagte der Bauer, „so wär der Samiel schon längst gefangen und im Zuchthaus. Vielleicht wär er gar bereits am Galgen storben.“
    „Wolltest du ihn fangen?“
    Das klang wie versteckter Hohn.
    „Ja, ich, denn ich bin derjenige, der ein gar ernstes Wort mit ihm zu sprechen hat. Er ist's gewest, dem ich all mein Elend zu verdanken hab. Vielleichten gibt mir der Herrgott die Gnad, bald zu hören, daß der Kerl ergriffen worden ist.“
    „So wirst's aber du nicht sein, der ihn ergreift!“
    „Das kann man nicht wissen.“
    „Wie sollt ein Blinder ihn fangen können!“
    „Oh, der liebe Gott macht seine Sache oft gar wunderbar. Man kann nie wissen, was geschieht. Wann der Samiel zum Beispiel mal auf unsern Hof käm, um uns zu bestehlen, so würd ich ihn empfangen, obgleich ich ein Blinder bin.“
    „Ah! Wie wollst das tun?“
    „Meinst, daß ich ihn nicht hören tät? Ich kann nicht schlafen, und es entgeht mir kein Geräusch des Nachts. Er mag sich vor mir hüten!“
    Es war ein unendlich höhnischer Blick, den sie auf ihn warf; dann begab sie sich in das Haus, um nach dem Gang der wirtschaftlichen Arbeiten zu sehen. Als sie dann nach längerer Zeit bemerkte, daß der Wurzelsepp mit den Tagelöhnern zurück kam und sich zu dem Bauern setzte, ging sie sofort wieder hinaus unter den Baum. Es lag ihr natürlich daran, von seiner Erzählung nicht das geringste zu versäumen.
    „Da bist ja schon wieder“, sagte sie. „Ich hab dacht, daßt mit nach der Försterei hast gehen müssen.“
    „Nein, dort hab ich nix zu tun. Ich bin ja heut in der Nacht gar nicht dort gewest.“
    „Und was hast für eine Aussagen macht?“
    „Nix anderes als wast dir auch selber denken kannst. Du weißt's ja von gestern abend, wie es zugegangen ist. Der Herr Staatsanwalt hat sich den Ort ansehen und ihn sogar auf ein Papier abzeichnet. Er hat auch den Erdboden angeschaut, um nach Spuren zu suchen; da ist aber gar nix zu sehen gewest.“
    „So wird ihm der Samiel wohl wieder entgehen!“
    „Das hab ich ihm auch gleich sagt. Der Samiel ist viel zu gescheit für solche Leut.“
    Sie warf ihm einen verstohlen forschenden Blick zu, um zu erraten, wie er diese Worte meine. Er machte ein sehr unbefangenes, aufrichtiges Gesicht.
    „Das meinst doch nicht“, sagte sie. „Die Herren vom Gericht haben doch studiert, der Samiel aber nicht.“
    „So? Woher weißt denn das?“
    „Das kann man sich doch denken. Ein studierter Herr wird nicht den Räuberhäuptling machen.“
    „Das darf man nicht behaupten. Es hat bereits auch studierte Spitzbuben geben.“
    „So denkst also, daß man ihn gar niemals derwischen wird?“
    „O doch. Eine jede Gans wird mal gessen, früher oder später. Der Samiel wird auch noch seinen Mann finden.“
    „Wohl nicht!“ lachte sie.
    „Warum nicht?“
    „Geh, Sepp! Laß dich nicht auslachen!“
    „Oh, was ich sag, das mag lächerlich klingen; aber es ist gar nicht so zum Lachen. Mir geht's halt grad wie dir. Ich möcht gleich eine Wetten mitmachen.“
    „Wieso?“
    „Grad wie du gestern wußt hast, daß der Graf die seinige verlieren wird, also bin ich auch sicher, daß ich die meinige gewinnen tät, obgleich ich kein studierter Herr bin.“
    „So! Mit wem möcht'st dann wetten?“
    „Eben mit dem Samiel.“
    „Bist nicht recht klug?“
    „Was fragst grad so? Wann ich ihn heut treffen tät, so würd ich ihm eine Wetten anbieten, daß ich ihn von heut an in zwei Wochen gefangen hab.“
    „Sepp! Was bist für ein Gescheiter!“
    „Oh, es scheint mir, daß eine gar sehr große Gescheitheiten gar nicht

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