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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in welcher ich noch ein kleiner Bub war, da hat es nicht die Schulen geben, wie sie heut sind.“
    „Ich glaube aber doch, daß ich dich irgendmal hab schreiben sehen.“
    „Nein. Da hab ich mir wohl nur eine Bemerkung macht. Weißt, so zwei oder drei Krakerln kann ich aufs Papier malen, weiter nix. Einen richtigen Brief bring ich nicht fertig.“
    „So mußt einem andern den Auftrag geben.“
    Der Sepp lachte laut auf.
    „Wie meinst denn das? Ich soll mir den Brief von einem andern schreiben lassen?“
    „Ja.“
    „Das könnt mir einfallen!“
    „So! Warum denn nicht?“
    „Aus mehreren Gründen. Erstens ist es verboten in der Hamburger zu spielen –“
    „Was geht das uns an?“
    „Sehr viel.“
    „Nein, gar nix. Mögen sie es verbieten, ich spiel doch! Ich kann mein Geld hintun, wohin es mir beliebt.“
    „Aber wann es herauskommt, so wird derjenige bestraft, der den Brief schrieben hat.“
    „Das tut nix. Wir bezahlen ihn gut.“
    „Wannst so denkst, so mag es sein; aber es geht dennoch nicht an; nein, nein, gar nicht.“
    „Warum denn nicht? Hast noch einen Grund?“
    „Ja, und einen sehr richtigen. Wann ich mir den Brief von einem andern schreiben laß, so muß ich gewärtig sein, daß er diese Glücksnummer für sich kommen läßt.“
    „Sapperment!“
    „Verstehst mich nun? Ich muß ihm die Nummer doch sagen!“
    „Du hast recht.“
    „Nachher sitzen wir da. Er gewinnt das große Geldl und lacht uns aus.“
    „Dem Kerl tät ich den Hals brechen.“
    „Besser ist's, wir brauchen keinen andern.“
    „Hm! Das scheint mir auch so.“
    „Ich seh überhaupt gar nicht ein, warum ich mir da Sorgen mach. Ich alter Kerl kann nicht schreiben. Du aber hast eine gute Schule habt und wirst's wohl können.“
    „Meinst, daß ich den Brief schreiben soll?“
    „Ja doch.“
    Der Bastian blickte den Alten forschend an. Es kam ihm für einen Augenblick der Gedanke, daß es doch vielleicht beabsichtigt sei, ihn auf das Eis zu führen; aber der Sepp machte ein so grundehrliches Gesicht, und der Traum war ein so sehr glückverheißender, daß der Knecht sich schnell wieder beruhigt fühlte. Er erklärte:
    „Weißt, von der Schul hab ich keinen großen Nutzen habt; aber einen Brief werd ich schon fertigbringen. Natürlich aber mußt mir da einen Gefallen erweisen.“
    „Gern. Welchen denn?“
    „Daßt keinem Menschen von diesem Schreiben ein Wort sagst. Verstanden?“
    „Das versteht sich ja ganz von selber. Es darf ja gar niemand wissen, was wir mitnander vorhaben. Der Brief wird zur Post tragen, und geht fort, ohne daß ihn ein anderes Aug als das unserige derblickt hat.“
    „So will ich es gelten lassen. Aber wann soll er schrieben werden? Wohl bald?“
    „Natürlich! Sonst müssen wir gewärtig sein, daß unsere Glücksnummer nicht mehr vorhanden ist.“
    „Das tät grad noch fehlen! Lauf gleich zum Krämer und hol ein Papieren! Tint und Feder treib ich wohl selber auf. Nachher geh ich wohin, wo ich nicht sehen werden kann, und du kannst mir den Brief diktieren! Das verstehst doch?“
    „Ja, diktieren kann ich dir, wast nur immer willst, aber schreiben nicht. Ich lauf schnell nach dem Papier.“
    Froh, seine Absicht so vollständig erreicht zu haben, beeilte er sich sehr, damit der Knecht sich nicht etwa anders besinne. Er holte Briefpapier beim Dorfkrämer, und sodann wurde auf der Häkselschneidemaschine der Brief, welchen der alte Sepp diktierte, von dem Knecht geschrieben. Als er in das Kuvert gesteckt und adressiert worden war, schob der Sepp ihn befriedigt in die Tasche und sagte:
    „So, das ist gemacht. Nun werd ich gleich nach der Stadt laufen und ihn auf die Post geben, damit er schnell vorwärts geht.“
    „Hast da nicht gleich das Geld zu zahlen?“
    „Nein. Wir wissen doch nicht, ob wir das Los bekommen können. Der Kollekteur wird es so machen, daß wir das Geld an den Briefträger geben müssen, wann er uns die Nummer bringen tut.“
    Er ging.
    Als er aus dem Tor trat, sah er den Kronenbauern und dessen Frau unter der Tanne sitzen. Sie tranken ihren Kaffee. Er wollte grüßend vorübergehen, doch hielt ihn die Frau an, indem sie ihn fragte:
    „Nun, lieber Sepp, hast diese Nacht gut bei uns schlafen?“
    ‚Lieber Sepp!‘ So hatte sie noch niemals zu ihm gesagt. Sie machte ein überaus freundliches Gesicht, ganz anders als gewöhnlich. Er wußte, was für eine Absicht sie dabei hatte, und antwortete ebenso freundlich:
    „Natürlich! Bei der Kronenbäuerin ist alles so

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