71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
ich –“
Er wollte weiter sprechen, aber er brachte vor Schluchzen nichts mehr hervor.
„Beruhigen Sie sich!“ bat der Arzt, ihn emporhebend, „Sie dürfen sich nicht aufregen und am allerwenigsten weinen. Jede Träne kann meine Operation erfolglos machen. Nehmen Sie sich in acht.“
„Wann's so ist, so werd ich nix sagen und nix tun, als bis Sie mir's derlauben. Aber das sag ich, daß ich Ihnen die Operation, denn eine solche ist's gewest, das merk ich nun, daß ich Ihnen die Operation danken will, so gut ich kann. Machen 'S mir Ihre Rechnung! Verlangens zehntausend Mark, zwanzigtausend oder auch noch mehr! Ich werd's von Herzen gern bezahlen!“
„Davon ist jetzt keine Rede. Denken Sie nicht an solche unnütze Sachen, sondern sorgen Sie dafür, daß sowohl Ihr Körper als auch Ihr Gemüt die nötige Ruhe habe.“
„Bekomme ich auch eine Medizinen?“
„Nein.“
„Ich muß doch einen Tee trinken oder sonst was aus der Apotheken!“
„In diesem Fall nicht, mein Lieber.“
„Aber mich ins Bett legen?“
„Auch nicht. Setzen Sie sich getrost wieder unter den Baum, da, wo Sie vorher gesessen haben. Das schadet Ihnen nichts; ja, es ist nur gut für Sie. Hüten Sie sich nur vor Erkältung. Das ist das einzige.“
Der Bauer konnte nicht begreifen, daß er nicht als schwerer Patient behandelt werden sollte. Er wollte sich abermals in Dankesversicherungen ergehen, da aber erhielt der Sepp einen Wink, ergriff ihn beim Arm und führte ihn hinab und unter den Baum.
Als die beiden dort anlangten, saß die Bäuerin dort, Gemüse putzend. Als sie die Augenbinde sah, lachte sie laut auf und fragte:
„Jetzund wird wohl eine Maskerade trieben?“
Der Bauer antwortete nicht.
„Ja“, sagte der Sepp.
„Nicht wahr, das hab ich mir denkt! Einem Blinden auch noch die Augen verbinden, das ist grad so, als wann man einem Tauben die Ohren verstopfen wollt. Was hat der Herr Doktor denn sagt?“
„Er hat ihm in denen Augen herumstochen und nachher meint, daß er noch nix sagen kann.“
„So! Das ist alles?“
„Alles!“ nickte der Sepp.
„So ist's ja kommen, wie ich mir denkt hab. In denen Augen herumstochen! Auch noch! Da hat er ihm bloß das, was noch gut gewest ist, vollends zerstochen. So eine Sach ist immer nutzlos. Wer blind ist, der mag blind bleiben. Er ist's einmal gewohnt und er merkt's halt gar nicht mehr.“
„Würdst auch so sagen, wann du es wärst, die blind ist?“
„Ja. Ich tät mich zufrieden geben.“
„Sündige nicht!“
„Ist das eine Sünd, wann ich sag, daß ich mich in mein Schicksal ergeben tät? Es ist im Gegenteil eine Sünd, mit demselben unzufrieden zu sein. Was hat mein Mann zu klagen? Er hat alles, was sein Herz begehrt, tausendmal mehr als andere Menschen. Daß er nicht sehen kann, daß muß er eben ertragen!“
Das war dem Bauern doch zu herzlos. Er sagte langsam und in feierlichem Ton:
„Du sollst fortan deine Augen nicht mehr da haben, wo sie nicht hingehören. Merke dir's!“
Sie erbleichte. Das waren ganz dieselben Worte, welche der Samiel an jenem Abend an der Laube zu ihm gesagt hatte, als er ihm die Pistole vor die Augen gehalten hatte. Sie stand auf, um sich zu entfernen. Da fiel ihr Auge auf den Waldweg und sofort setzte sie sich wieder nieder. Sie hatte Fritz gesehen, welcher von der Försterei kam.
Er mußte sich natürlich sofort zu den dreien setzen.
„Sag's schnell, wie es gangen ist!“ forderte die Bäuerin ihn auf, noch bevor ein anderer ein Wort gesagt hatte.
Es war ihr anzusehen, daß sie brannte, das Resultat des Verhörs zu erfahren. Sie hatte bisher ja nur Ruhe geheuchelt.
„Wie es gangen ist?“ antwortete Fritz in gleichgültigem Ton, indem er ihr von der Seite einen Blick zuwarf. „Langsam!“
„Das hab ich merkt, talketer Kerl! Wann ich so eine Antwort hätt haben wollt, so braucht ich dich gar nicht zu fragen. Was hast aussagen müssen?“
„Alles, was ich wüßt hab.“
„Und die Martha?“
„Ganz dasselbige.“
„Ist denn was entdeckt?“
„Das darf ich nicht sagen.“
„Wer hat's verboten?“
„Der Staatsanwalt.“
„Was? So darfst's uns nicht mal sagen?“
„Nein.“
„Das ist ganz unnütz! Was verhandelt wird, das muß das Volk wissen. Wozu geben wir unsere Steuern und Gelder?“
„Was das Volk wissen will, das wird es zu seiner Zeit derfahren. Ich kann nur soviel sagen, daß der Samiel sich in acht nehmen mag.“
„Es soll ihm wohl traurig ergehen?“
„Ja. So was wie heut nacht gelingt ihm
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