71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
haben soll. Und nun laß mich aus! Laß mich in Ruhe! Ich mag solchen Quatsch nicht hören. Ich will nicht wieder blind werden!“
„Bravo! Er mag dich in Ruhe lassen! Fritz, komm! Ich hab mit dir zu reden!“
Der Knecht war aufgesprungen. Er starrte den Bauern an. Erst jetzt fiel ihm auf, daß dieser eine Binde um die Augen trug. Er wollte fragen, aber der Sepp zog ihn mit sich fort, hinter das Haus und hinaus auf das nahe Feld, wo sie von niemandem gehört und gesehen werden konnten. Erst hier ließ er ihn zu Wort kommen.
„So! Hier nun kannst reden. Hier ist keiner, demst Schaden machen kannst. Was fallt dir denn ein, in dieser Art und Weisen mit der Bäuerin zu reden!“
„Weil ich bös bin auf sie!“
„Ich auch; aber dennoch bleib ich ruhig. Mit solchem Geschwätz verdirbst uns alles. Und den Bauern hast so grimmig geärgert, jetzt, wo er sich doch nicht ärgern soll!“
„Warum grad jetzt nicht? Was hat er meint, als er sagt, daß er nicht wiederum blind werden will?“
„Das sollt ich dir auch nicht sagen, aber ich bin dein Freund, und so sollst's wissen. Der Bauer ist operiert worden.“
Er erzählte Fritz von der Ankunft der beiden vornehmen Männer und was dann geschehen war, und fügte am Ende hinzu:
„Und weil's jetzunder so gefährlich ist, hier zu wohnen und wir also die beiden schützen müssen, so will ich dir sagen, wer sie sind. Der eine ist ein Geheimer Medizinalrat und der andere ist gar unser guter König Ludwig selber.“
Fritz hatte bereits den ersteren Teil dieser Mitteilung mit größtem Erstaunen angehört, der Inhalt des letzteren Teils aber, daß der König in eigener Person sich hier befinden solle, brachte ihn aus aller Fassung und raubte ihm fast die Sprache.
„Wie – wa – wo – wer?“ stotterte er.
„Der König.“
„Sepp! Mach keine Lügen!“
„Donnerwetter! Hab ich dich bereits einmal belogen? Wann ich halt sag, daß es der König Ludwigen ist, so ist er es auch.“
„Was könnte er denn hier bei uns wollen?“
„Nun, euretwegen ist er freilich nicht da. Er will das haben, was die Ärzte eine Sommerfrische nennen. Eine Kur will er machen. Darum ist ja auch ein Doktor bei ihm. Der ist ein gar gescheiter Kerlen und hat den Bauern geheilt.“
„Wann's so ist, so muß ich gleich zum Bauern. Er ist mein Vater, und es drängt mich, ihm –“
Er wollte schnell fort. Der Sepp aber hielt ihn fest und sagte:
„Da bleibst! Der Bauer darf keine Aufregung haben. Das hat ihm der Arzt verboten. Und ich hab halt Notwendigeres mit dir zu reden.“
Fritz griff sich mit beiden Händen nach dem Kopf.
„Notwendiges? Mein Gott! Mir wird ganz schwindelig zumute. Was ich seit wenigen Stunden, seit gestern derfahren und derlebt hab, das ist allzuviel für einen Menschen. Das macht mir den Kopf ganz wirr. Und nun kommst auch noch du und sagst, daßt Notwendiges hast. Was ist's denn?“
„Etwas von der Bäuerin.“
„Ich mag jetzt nichts mehr von ihr wissen!“
„Das mußt aber wissen, denn du sollst mir helfen.“
„Auch noch! Laß mich in Ruh!“
„Na, wann dir der Kopf halt so brummt, so will ich dich nicht belästigen; aber ich hab denkt, daßt so einen alten, guten Freund, wie ich bin, nicht im Stich lassen wirst.“
„So! Wannst mich bei dieser Seit angreifst, so muß ich es schon gelten lassen, alter Sepp!“
„Also machst mit?“
„Ja, wann ich kann.“
„Du kannst. Die Bäuerin will wieder einbrechen.“
„Schon wieder! Wann denn?“
„Am heutigen Abend.“
„Das wäre ja toll. Sie nimmt sich doch nicht mal die Zeit, richtig auszuschlafen!“
„Ja, sie treibt es freilich arg; aber sie nimmt halt mit, was sie mitnehmen kann.“
„Wo denn?“
„In Oberdorf beim Pfarrer.“
„Was wollt sie da holen? Der ist ja blutarm!“
„Er hat jetzt ein schönes Geldl daliegen.“
„Das kann nicht sein Eigentum sein.“
„Nein. Es ist ihm zum Aufheben geben worden.“
Er erzählte nun, daß Ludwig Held dagewesen sei und was er von diesem erfahren hatte.
„Aber wie willst da wissen, daß sich der Samiel das Geld holen will?“ fragte Fritz.
„Ich hab's der Bäuerin angesehen.“
„So! Ja, ein Schlauer bist, kannst Gedanken derraten. Das hab ich bei dir schon oft merkt.“
„Und daß sie heut gehen wird, weiß ich auch.“
„Woher?“
„Weil der Ludwig sagt hat, daß das Geldl schon morgen in die Stadt getragen werden soll.“
„Dann glaub ich freilich auch, daß sie es sich schon heut holen wird.“
„Ja, und sodann
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