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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schallende Ohrfeige. Da fuhr Bastian auf ihn los und rief:
    „Halunk, wie kannst mich schlagen!“
    „Bursch, sei zufrieden mit der einen, sonst bekommst noch mehrere! Komm! Fort mit dir in den Stall!“
    Er warf ihn die Treppe hinab, faßte ihn unten beim Genick und packte ihn in den Stall, dessen Tür er von außen verriegelte.
    Wohin sollte er gehen? Wo warten, bis die Bäuerin mit Sepp fertig war? Sein suchendes Auge fiel auf die noch offen stehende Hintertür.
    „Ah!“ lachte er in sich hinein! „Das paßt mir gut! Sie wird ihre Stubentür offen haben. Ich weiß, was ich tu; mag kommen, was da will.“
    Er ging in das Wohnhaus und da leise die Treppe empor. Als er an der Tür der Bäuerin probierte, ging diese auf. Er trat ein und kroch unter das altväterische Kanapee, welches lang genug für ihn war. Die herunterhängende Decke verbarg ihn vollständig.
    Die Bäuerin hatte ihm einen wütenden Blick nachgeworfen. Zwar hörte sie, daß er draußen einen Wortwechsel mit dem Bastian hatte; aber sie achtete gar nicht darauf. Sie wendete sich zu Sepp, und zwar mit einem Blick, in welchem die grimmigste Feindschaft lag.
    „Nun hab ich dich allein, alter Gleisner und Heuchler!“ sagte sie. „Jetzt stehst mir Rede!“
    „Wann ich will!“ antwortete er.
    Dabei griff er nach seiner Jacke, zog seine alte Pfeife und den Tabaksbeutel hervor und begann, sich gemächlich die Pfeife zu stopfen. Das erhöhte ihre Wut.
    „Hier wird nicht geraucht!“ rief sie.
    „Rauch ich denn?“
    „Du willst ja!“
    „Bis jetzt stopf ich nur.“
    „Wannst mich ärgern willst, schmeiß ich dich hinaus!“
    „Das müßt schön ausschaun. Das wär ein Gaudium. Wollen's doch mal versuchen, Bäuerin!“
    „Ich kann schon ernst machen. Vorher aber sagst mir, wo du heut abend gewest bist!“
    „Hm! Im Kronenhof.“
    „Sonst nirgends?“
    „Nein.“
    „Nicht in Oberdorf?“
    „Was sollt ich dort?“
    „Das wirst wissen!“
    Jetzt aber blickte er sie an, fest und lange Zeit. Sie senkte den Blick vor dem seinigen. Dann sagte er:
    „Schau, Bäuerin, du könntest denken, der Sepp fürchtet sich vor dir, und das darf nicht sein. Darum will ich dir keine Unwahrheiten sagen. Gib mal her!“
    Er nahm ihr die Laterne aus der Hand, öffnete sie und brannte sich seine Pfeife an.
    „Sollst nicht rauchen! Tu die Pfeif weg!“
    Er machte die Laterne wieder zu, setzte sie auf die Diele nieder, tat einige kräftige Züge und antwortete:
    „Höre, ich will dir mal was sagen: Der Wurzelsepp hat grad jetzt Lust, seine Pfeif zu rauchen. Wannst ihm das verbieten willst, so versuch's! Dann kannst sehen, was geschieht.“
    „Nun, was soll geschehen?“
    „Ich werf dich hinaus.“
    „Du – mich –“
    „Ja. Mit dir wird nicht gefackelt! Was hast dich um mich zu kümmern? Warum kommst bei nachtschlafender Zeit und störst mich in der Ruhe?“
    „Weil ich wissen will, was heut getrieben hast.“
    „Da kannst derfahren.“
    „Nun?“
    „Frag nur! Ich werd antworten.“
    „Gut. Hast wirklich schlafen?“
    „Nein.“
    „So warst fort?“
    „Ja.“
    „Wohin?“
    „Nach Oberdorf.“
    „Oh! Zu wem?“
    „Zum Pfarrer.“
    „Donnerwetter! Was hast dort gewollt?“
    „Meine Wette gewinnen.“
    „Ach so! Welche?“
    „Die ich mit dir macht hab.“
    „Den Samiel fangen?“
    „Ja.“
    „Nun, die gewinnst halt nicht.“
    „Oho! Ich hab sie schon gewonnen!“
    „So zeig's einmal!“
    „Ich hab den Samiel!“
    „Wo denn?“
    „Hier. Da steht er.“
    Er deutete auf sie.
    „Ich?“ lachte sie. Aber dieses Lachen klang gellend und angstvoll.
    „Ja, du! Willst's leugnen?“
    „Sepp, ich bin überzeugt, du mußt ins Irrenhaus!“
    „Und du ins Zuchthaus!“
    „Du wirst wirklich überschnappt!“
    „Nein. Weißt, wir wollen keine unnütze Reden machen. Mit dir ist's halt aus. Ich hab's dem Fritz verzählt, daß er der Sohn ist. Er weiß alles. Er hat dich gestern als Samiel erkannt. Er ist auch vorhin mit in Oberdorf gewest. Der Pfarrer hat das Geldl in die Taschen steckt und dir das Kuvert mit meiner Schrift hinlegt. Wir wissen alles, alles! Für dich gibt's keine Rettung mehr!“
    Sie blickte ihm starr in das Angesicht. Sie hatte das Gesicht einer Leiche.
    „Schau, wiest derschrickst!“ sagte er. „Die Straf kommt bereits jetzt. Wie wird's erst dann später sein. Es wird alles über dich zusammenbrechen. Der Bauer tut mir leid. Ich bin sein ältester Freund und möcht ihm gern die fürchterliche Schand dersparen. Darum will ich

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