71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
bedeutendsten Rausch angetrunken. Seine Lider waren müd auf die Augen gesenkt; dennoch bemerkte er den Blick des Barons und sagte lachend:
„Lieber Freund, denke nicht, daß du das nötig hast. Ich erreiche meine Bude auch ohne fremde Hilfe.“
„Darüber gibt es ja gar keinen Zweifel, mein Bester. Du wohnst ja im Parterre, aber ohne ein kleines Straucheln wird es nicht abgehen. Darum ist es besser, ich begleite dich. Komm!“
Der Künstler stieg mit Hilfe des Dieners aus dem Wagen. Seine Bewegungen waren schwer und unsicher. Der Baron nickte dem Diener vertraulich zu, ergriff den Künstler beim Arm und wendete sich zum Grafen:
„Sehen wir uns heut abend wieder?“
„Schwerlich. Ich bin engagiert.“
„Ah! In interessanter Weise?“
„Nicht so, wie Sie denken, mein lieber Baron. Ich bin zum Kommerzienrat Hamberger geladen.“
„Puh! Und da gehen Sie?“
„Warum nicht?“
„Zu einem Parvenu!“
„Pah! Man sieht dort feine Leute; ihretwegen gehe ich hin, nicht seinetwegen.“
„Dann viel Vergnügen! Und morgen natürlich wieder zum Frühstück?“
„Werde eintreffen! Vorwärts Jean!“
Der Diener war wieder hinten aufgestiegen, und die Equipage rollte auf dem hart gefrorenen Boden weiter.
Der Baron geleitete den Künstler die Stufen zum Parterre empor. Ein Livreediener, der beide hatte kommen sehen, öffnete eine Tür, an welcher schwarz auf weißem Porzellan zu lesen war: ‚Guiseppe Criquolini‘, die beiden traten ein und begaben sich durch das Vorzimmer nach einem kleinen, sehr hübsch ausgestatteten Herrensalon.
Dort fiel der Besitzer des Logis auf die Ottomane, streckte sich lang auf dieselbe aus, die Stiefel ungeniert auf das seidene Sofakissen legend, und sagte:
„Habe doch des Guten zu viel getan! Der Burgunder war vom Teufel gekeltert.“
„Und der Sekt vom Erzengel Michael. Darum wirbelt einem nun Höllisches und Himmlisches im Kopf herum, und es ist kein Wunder, wenn der schwache Mensch in diesem Kampf unterliegen muß. Auch mir geht es so ziemlich wie dir. Soll ich vielleicht nach einem Selters klingeln?“
„Tu es! Aber ich mag jetzt vom Wasser nichts wissen. Ersäufe dich also allein darin. Ich werde, wenn du fort bist, ein Schläfchen machen.“
„Vielleicht tue ich das zu Hause auch.“
Er drückte an der silbernen Glocke, welche auf dem Tisch stand. Der Livreediener erschien und erhielt den Befehl, eine Flasche Selters zu bringen. Er trat, die Tür gleich offen lassend, in das Vorzimmer zurück und brachte das Verlangte herein. Dabei lächelte er auf eine Weise, als ob er sagen wollte:
„Habe sie bereitgehalten, denn ich ahnte, was den Herren dienlich sein werde.“
Als er hinaus war, lachte der Baron:
„Hast einen vortrefflichen dienstbaren Geist. Er scheint ein guter Gedankenleser zu sein.“
„Ist kein Wunder! Die drei Wochen, seit denen er bei mir ist, bin ich täglich frühstücken gegangen und ebenso täglich so heiter nach Hause gekommen. Da hat er gelernt, das Selters- oder Sodawasser bereitzuhalten. Ich muß offen gestehen, daß man hier in Wien zu leben versteht.“
„Besonders wenn man sich an Kavaliere, wie Graf Senftenberg ist, anschließen darf.“
„Ja. Ein vortrefflicher Kerl! Nicht?“
„Ausgezeichnet! Ich kenne keinen zweiten.“
„Er muß ungeheuer reich sein!“
„Das hört man allgemein. Er soll bedeutende Besitzungen in Ungarn und Siebenbürgen haben und außerdem auch noch in Preußen und Bayern begütert sein. Er fährt mit den besten Pferden, führt ein brillantes Haus, obgleich er unverheiratet ist, hat die besten Weine und verzieht keine Miene, wenn er einen Tausendguldenschein im Spiel verliert.“
„Wie heut wieder! Mensch, du bist ein Glückskind! Gestern gewonnen, heute gewonnen, alle Tage gewonnen! Du hast mir seit einer Woche sicher dreitausend Gulden abgenommen.“
„Das Spiel ist wetterwendisch. Du wirst wohl bald Revanche nehmen.“
„Pah! Ich gehe nicht darauf aus. Ich will mich amüsieren. Wird dieser Wunsch mir erfüllt, so zähle ich den Mammon nicht.“
„Hast's auch nicht nötig. Deine Kehle bringt dir genug ein. Heutzutage fragt ein Sänger deiner Distinktion nicht nach einer Handvoll Goldstücken.“
„Ja, die Zeiten haben sich geändert. Während Mozart für seine ganze Don Juan-Oper lumpige dreißig Dukaten bekam, verlange ich, um in dieser Oper einmal aufzutreten, das Dreifache. Meine Reise durch die Vereinigten Staaten hat mir ein schönes Sümmchen eingebracht.“
„Das glaube ich! Wenn
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