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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Lächeln, ein unbeschreiblich glückliches Lächeln. Konnte es eine herrlichere Anerkennung geben als diejenige, welche in seinen Worten lag? Gewiß nicht.
    „Sie lächeln?“ flüsterte er. „Ja, ich mag Ihnen ganz gewiß recht lächerlich vorkommen, aber ich sage Ihnen, daß ich jetzt nicht mehr ich bin. Ich kenne mich gar nicht mehr. Sie sind eine Zauberin, aber nicht eine böse, sondern eine gottbegnadete Fee, welche nur Glück und Heil bringen kann.“
    Er hatte sie zu ihrem Platz geführt und zog sich zurück. Er konnte das, was er empfand, unmöglich durch eine gewöhnliche Unterhaltung entweihen.
    Der Sepp hatte heimlich den Schlüssel jetzt wieder umgedreht. Dann entfernte er sich von der Tür, so daß die Kapelle, welche jetzt wieder zum Vortrag kam, den Eingang für sich offen fand.
    Dann spielte der Pianovirtuose ein Stück. Ihm folgte der Violinist, und sodann war ein Lied von Criquolini angekündigt. Der Sepp zog sich mit Leni abermals unbemerkt zurück.
    Criquolini zeigte jetzt womöglich eine noch stolzere Haltung als vorher. Es war nicht eine Verbeugung, welche er dem Publikum machte, sondern eine herablassende Verneigung, ganz so, als ob er hoch über den Anwesenden stehe. Er sang eines der bekannten Fannylieder:
    „Ich liebe die trauten Wellen,
Ich liebe das wilde Meer.
Wie Liebesgedanken schwellen
Die Wasser dahin, daher.
    Wie Blicke der Liebe steigen
Glühfünklein in die Höh;
Wie Grüße der Liebe neigen
Die Lilien sich im See.
    Wie Worte der Liebe klingen
Seltsame Töne hervor.
Die Seejungfräulein singen
Und tauchen lustig empor.
    Ich liebe die trauten Wellen,
Ich liebe das wilde Meer.
Wie Liebesgedanken schwellen
Die Wasser dahin, daher.“
    Hatte er dieses Lied des Textes oder der eigenartigen, in wallenden Triolen sich bewegenden Komposition wegen gewählt? Mochte es sein, wie es wollte, die Wahl war eine vortreffliche.
    Dieses Lied war wie für ihn gedichtet und komponiert. Auch er ‚liebte die trauten Wellen‘, und er ‚liebte das wilde Meer‘.
    Er war ein zu Leidenschaftlichkeiten geneigter Charakter, unberechenbar wie die Flut, welche jetzt im Sonnenglanz lacht und im nächsten Augenblick ihre brüllenden, todesdunklen Wogen erhebt. Auch ihm hatten ‚Meerfräulein‘ zugewinkt, und er war ihnen in die blinkenden, verführerischen, aber kalten Arme gesunken. Er hatte zwischen den feilen, bleichen ‚Seeblumen‘ moralischen Schiffbruch erlitten.
    Kein Lied hätte besser für ihn gepaßt, und er sang es allerdings auch mit einer wahrhaft berauschenden Meisterschaft.
    Die Triolen, welche bald wie glitzernde, gold- und silberschimmernde Wellen, bald aber wie dunkle, gischtspritzende und schauspeiende Wogen hier leicht und betörend, dort schwer und zäh auf- und niederstiegen, bildeten ein Tongewoge, welches von seiner außerordentlichen Technik vollständig beherrscht wurde. Es versagte ihm nicht eine einzige Note, und selbst da, wo der Komponist das Auftauchen der Seejungfrau durch ungeheuer schwierige Sextolen, welche abwechselnd in der Quinte und der kleinen None gipfelten, beschrieb, kam dieses geradezu halsbrecherische Tongemälde zu einem gradezu diabolisch fehlerfreien Vortrag, daß es den Hörern hätte schwindeln mögen.
    Und dazu seine Stimme! Sie stieg voll bis ins große C herab und schwang sich klar und verwegen bis zum letzten Ton der zweigestrichenen Oktave hinauf. Das waren keine Töne, das waren Tropfen, Schaumflecken und Perlen, welche aus der Tiefe des Sees emporstiegen und über den Wassern funkelten und schillerten, um dann auf die schimmernden Leiber der Seejungfern niederzuträufeln.
    Der Sänger war den Zuschauern unsympathisch geworden, teils durch sein hochmütiges Benehmen, teils weil man gehört hatte, was heut zwischen ihm und Leni vorgekommen war. Als Mensch verdiente er keine Achtung, und mancher der Anwesenden hatte sich vielleicht im stillen vorgenommen, zu seinem Vortrag sich völlig gleichgültig zu verhalten. Aber dieser staunenerregenden Leistung gegenüber verloren solche Vorsätze alle ihre Kraft. Der Beifall, welcher losbrach, glich einem Sturm, welcher sich nicht legen zu können schien.
    „Was sagst zu ihm, Leni?“ fragte der alte Sepp draußen im Empfangssalon seine Patin.
    „Dazu möcht ich wohl gar nix sagen“, antwortete sie.
    „Warum?“
    „Weil ich nicht reden möcht, sondern lieber laut aufweinen. Es ist traurig, o so sehr traurig, lieber Sepp!“
    „Hast recht. Wer so eine Stimm hat, der sollt dem Herrgott auf den Knie

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