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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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widmete. Seine Persönlichkeit war es, seine Persönlichkeit ganz allein. Er trat so einfach, so bescheiden auf. Sein Wesen zeigte eine Offenheit, eine Wahrheit, welche man an dergleichen Kavalieren nicht zu beobachten pflegt. Leni fühlte, daß er kein gewöhnlicher Salonmensch sei und ihr nicht Höflichkeiten sagte, weil er es gewöhnt war, Damen zu schmeicheln. Was er sagte, kam ihm wirklich aus dem Herzen.
    Sie waren in den Musiksalon getreten. Der Graf wollte sie nach einem Stuhl führen, sie aber bedankte sich und ging zu dem alten Hauptmann, welcher abseits von der Gesellschaft stand, um sich ein Gemälde zu betrachten.
    „Sepp, jetzund mußt mir mal Red und Antwort stehen“, sagte sie. „Willst es tun?“
    „Wann ich kann, ja!“
    „Was willst eigentlich hier in Wien?“
    „Marinierte Heringe fangen in der Donauen. So, jetzt weißt's.“
    „Geh! Bist doch stets ein Grundböser. Kannst denn niemalen aufrichtig sein?“
    „Bin ich jemals verschlossen gegen dich gewest?“
    „Oft!“
    „Dann hab ich's halt nötig gehabt. Und so ist's auch grad jetzt. Was ich hier such, das darf ich dir halt nicht sagen.“
    „Warum aber spielst den vornehmen Herrn?“
    „Weil's für das, was ich will, nötig ist.“
    „So! Ich hätt gar niemals geglaubt, daßt so gut einen Offizieren machen kannst.“
    „Du, da hast dich täuscht. Der Wurzelsepp ist halt einer, der alles kann, was er will. Das magst du dir nur merken.“
    „Ja, ich glaub es fast. Und wie sich das so schön ereignet hat, daß wir uns gleich treffen müssen. Auch den Anton haben wir gleich auf der Stell gefunden.“
    „Du, daran liegt mir nix.“
    „Warum?“
    „Weil er mich nicht sehen darf. Er könnt's sonst verraten, daß ich nicht ein Offizier bin, sondern der Wurzelsepp.“
    „So mußt halt hinausgehen, wann er singen tut.“
    „Ja. Und du? Soll er dich sehen?“
    „Hm! Er hat keine Ahnung, daß ich die Ubertinka bin, obgleich er, wenn er gescheit wäre, es erraten könnte, daß dieser Name eigentlich von der zweiten Hälfte meines Geburtsnamens Berghuber herkommt. Wann ich es vermeiden kann, so soll er mich nicht erblicken.“
    „So wollen wir uns erkundigen, wann er auftreten wird.“
    Die Kapelle hatte indessen einen Walzer gespielt, und nun traten der Pianist und der Violinvirtuose herein, um sich beide hören zu lassen. Nach ihnen sollte Criquolini auftreten.
    Bevor er erschien, traten der Sepp und die Leni wieder zusammen und gingen, wie in ein angelegentliches Gespräch vertieft hinaus in den Empfangssalon, was keinem der Anwesenden auffiel.
    Sie konnten von dort aus den Krickel-Anton beobachten, ohne von ihm bemerkt zu werden. Er schritt in stolzer, selbstbewußter Haltung nach dem Piano. Dort verbeugte er sich, aber so leicht und kurz, als sei er ein Fürst, der auf eine ihm erwiesene Ovation gnädig danke. Dann durchflog sein Blick den Saal.
    Er suchte die Ubertinka. Welche von den anwesenden Damen mochte die Sängerin sein? Es gab kein Anzeichen, mit dessen Hilfe er sich diese Frage hätte beantworten können.
    Der Pianist verkündete laut, daß Signor Criquolini ein Trinklied vortragen werde. Der Sänger lehnte sich nachlässig mit dem Arm auf das Piano, wartete, bis das Vorspiel zu Ende war und begann dann die ‚Rheingauer Glocken‘ von Emil Ritterhaus:
    „Wo's guten Wein im Rheingau gibt,
Läßt man den Mund nicht trocken.
Drum, wer ein schönes Tröpfchen hebt,
Beacht den Klang der Glocken!
Merk, ob du hörst den vollen Baß,
Ob dünn und schwach der Ton summ'.
Wo edle Sorten ruhn im Faß,
Da klingt es: Vinum bonum, vinum bonum!“
    Er hatte halblaut begonnen, sichtlich nachlässig, als ob ihm an dem Beifall der Anwesenden ganz und gar nichts liege. Von Wort zu Wort aber färbte sich die Stimme energischer. Er richtete sich höher auf. Sein prachtvoller, kräftiger Tenor begann, den Saal zu füllen, und als er dann, „ vinum bonum‘, den Klang der Glocken nachahmte, da klang es wirklich wie Glockengeläut, so metallisch, so tief und brausend, als ob es vom hohen Turm hin über den Rheingau schalle.
    Dann kam die zweite Strophe:
    „Doch wo die Rebe schlecht gedeiht,
Muß man die Äpfel pressen;
Da wird gar klein die Seligkeit
Dem Zecher zugemessen.
Der Trank ist matt, das Geld ist rar;
Man spart an Glock und Klöppel –
Und von dem Turm hört immerdar
Man eins nur: Äppelpäppel!
Äppelpäppel, Äppelpäppel!“
    Man hätte meinen sollen, daß bei diesen humoristischen Zeilen sich die Pracht seiner Stimme nicht

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