71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
gebildeten Menschen oder nicht?“
Da antwortete ihm die Bäuerin:
„Wann Sie uns meinen, so sind Sie halt unter gebildeten Menschen. Wann's aber sich selber mit meinen, so mag's noch unentschieden sein.“
Sein dickes, grobzügiges Gesicht wurde blutrot.
„Das sagen Sie! Sie, Frau Kronenbäuerin! Wie komme ich dazu, von Ihnen solche Grobheiten zu hören zu bekommen?“
„Weils erst selbst grob west sind. Ein Fremder, der einen Dienst verlangt, kann höflich um denselbigen bitten.“
„Ach so! Nun, das kann ich ja tun.“
Und sich zu Fritz herumdrehend, sagte er, sich höhnisch verbeugend:
„Verehrtester Herr, haben Sie die Güte, mein Pferd auszuspannen und in den Stall zu führen.“
Fritz ignorierte die Ironie und antwortete ruhig:
„Hier gibt's halt keine Ausspannung. Gehens hinab in die Schenke!“
„Aber ich habe doch allemal hier ausgespannt und bin bis zum späten Abend hier Gast gewesen!“
„Das braucht aber nicht für das ganze Leben zu sein“, sagte jetzt der Bauer sehr ernst, welcher überhaupt noch gar nicht gesprochen hatte.
„So! Also bin ich unwillkommen?“
„Ja, so ist's!“
„Schön! Gut, daß ich das weiß. Ich kam, um das Innere des Gebäudes noch einmal in Augenschein zu nehmen.“
„Ist das nötig?“
„Ja. Es sind neue baupolizeiliche Bestimmungen getroffen worden, welche ich beim Beginn des Baus noch nicht kannte. Die Frau Kronenbäuerin ist vielleicht so freundlich, mich zu begleiten.“
Über das Gesicht des Bauern zuckte ein zorniger Blitz.
„Willst mit ihm gehen, Kätherl?“ fragte er.
„Ja“, antwortete sie.
Ihr Ton war eigentümlich energischer; er schien den Bauern zu beruhigen. Der Baumeister warf die Bemerkung hin:
„Bis wir wiederkommen, wird der Knecht wohl mein Pferd halten!“
„Das Pferd? Dieses?“ fragte Fritz. „Lächerlich! Das ist froh, wann es nicht zu laufen braucht.“
„Gut! Wenn du zu stolz dazu bist, so mag dort der Bettler es tun. Ich werde ihm ein Trinkgeld geben.“
Er nickte dabei zu Sepp hinüber.
„Was bin ich? Ein Bettler?“ fragte dieser. „Du Grasaff, du! Ich, der Bettler, tät mich schämen, einen solchen Ziegenbocksgaul in denen Bergen herumzuschinden. Dem stechen ja die Knochen durch die Haut. Und was hast für einen Wagen? Das ist ein Jammerkasten, wie ich noch niemals einen sehen hab. Hier hast fünfzig Pfennige! Kauf dir ein Schnupftuchen und bind dir damit die Augen zu, daßt dich nicht zu schämen brauchst. Ich, ein Bettlern! Was bist eigentlich für ein Fruzzifrazzi, daßt so was zu sagen sagst?“
Er war aufgestanden und vor den Baumeister hingetreten. Dieser war zunächst so erstaunt, daß er die Strafrede ganz ruhig über sich ergehen ließ. Dann aber brach auch er los.
„Wer ich bin?“ rief er. „Das sollst du erfahren, altes Kamel! Aber nicht sagen werde ich es dir, sondern es dir lieber gleich hinter die Ohren schreiben, damit du es dir besser merken kannst. Hier hast du es!“
Er holte aus, um ihm eine Ohrfeige zu geben, flog aber in demselben Augenblick drei oder vier Schritte entfernt von dem Punkt, auf welchem er gestanden hatte, zur Erde nieder. Der alte, kräftige Sepp hatte ihm einen Jagdhieb mit der Faust in die Magengrube gegeben und stand nun lachend da:
„Schreiben willst's mir hinter die Ohren? So! Ich kann auch schreiben. Und meine Schrift ist vielleichten noch was deutlicher zu lesen als die deinige. Nennt mich der Esel ein Kamelen! Komm nur heran, du Heiducke, du! Ich werd dir das Leder so gerben, daß denkst, du bist in Saffian einwickelt!“
Er nahm eine kampfbereite Haltung an. Der Baumeister raffte sich langsam empor. Er wollte sich wütend auf den Sepp stürzen, blieb aber stehen. Der Fall hatte ihm so weh getan, daß es ihm schwer wurde, sich zu bewegen. Er konnte also sein Vorhaben nicht ausführen. Desto lauter aber schimpfte und wetterte er.
„Halts Maul!“ lachte der Sepp. „Wirst mir wohl keine Maulschelle mehr anbieten. Du bist kuriert. Wannst wieder mal einen Mann triffst, denst für einen Bettler hältst, so sag dir nur im stillen, daß er dennoch ein feinerer Kerl ist, als du bist. Ein Haus kann jeder bauen. Aber Ohrfeigen anbieten und dann selber hinfliegen auf die Erd, das bringt nicht ein jeder fertig!“
Der Baumeister wollte antworten, wurde jedoch durch die Bäuerin daran verhindert. Sie nahm ihn beim Arm und zog ihn mit sich fort. Sie verschwanden miteinander im Hausflur.
Der Knecht ging auch fort in das Haus. Der Sepp setzte sich wieder zu
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