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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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liegende Höhe warf doch einen Schatten, welcher das Licht dämpfte. Das magische Dreivierteldunkel äußerte seinen Einfluß auf die Stimmung der beiden nächtlichen Spaziergänger.
    Wie der Physiker nachgewiesen hat, daß der Körper des Mondes einen unverkennbaren und sogar bedeutenden Einfluß auf die Erde ausübt, daß er eine hohe Flutwelle des Weltmeeres emporhebt, hinter sich herzieht und infolgedessen die Gezeiten, nämlich Ebbe und Flut hervorbringt, daß sein Einfluß sogar mit dem Erdbeben in Beziehung zu bringen ist, so kann auch der Psychologe nicht leugnen, daß der Mond auf Geist und Gemüt der Menschen eine ganz unverkennbare Wirkung äußert.
    Der Dichter besingt die sittig lächelnde Luna, der Bildhauer stellt sie dar in keuscher Gewandung, mild, freundlichen Angesichts. Der silberne Strahl des Mondes dringt durch das Auge in das Gemüt und zieht die Oberfläche desselben in sanft flutenden Wellen zu poetisch gehobener Stimmung empor. Die Gegensätze werden ausgeglichen. Das Harte, Schroffe sinkt und verschwindet, und milde, versöhnliche Stimmungen und Regungen tauchen selbst aus der Tiefe eines verbitterten Herzens empor; der Haß flieht, und wo vorher eine stille, noch verborgene Neigung vorhanden war, da tritt sie in das Bewußtsein und treibt mit aller Macht, aus der Verborgenheit hinauszugelangen und ausgesprochen zu werden.
    So auch hier bei diesen beiden. Als sie so Hand in Hand dahingingen, fühlte Fritz noch deutlicher als am Nachmittag, wie tief er eigentlich das schöne Mädchen in sein Herz geschlossen habe – ganz ohne es zu wissen. Und ihr war es so wohl und selig im Herzen; es war ihr gar nicht so, als ob sie heut zum ersten Mal mit dem braven Burschen beisammen sei. Sie hatte im Gegenteil die Empfindung, als seien sie schon lange lange beisammen, als gehörten sie überhaupt für immer zueinander und dürften sich nie, nie wieder verlassen.
    Da flog eine Sternschnuppe über den Himmel hin.
    „Hast sie gesehen?“ fragte Martha, nach den Sternen deutend.
    „Ja. Dort ist sie hinab.“
    „Da ist ein Mensch storben.“
    „Wer hat das sagt?“
    „Hast's noch niemals hört?“
    „Nein.“
    „Ich hatt eine Großmuttern, die war gar fromm. Sie hat mich erzogen bis ich aus der Schulen kommen bin; danach starb sie, und der Oheim nahm mich zu sich. Sie hat ein gar tiefsinnig Gemüt habt und mir mancherlei verzählt von denen Menschen auf der Erd, denen Geistern in der Luft und denen Engeln und Seligen im Himmel droben. Auch von denen Sternschnuppen hat's wußt, was sie zu bedeuten haben.“
    „So ist sie eine gar kluge Frauen gewest.“
    „Ja, das war sie, denn die größte Klugheit besteht nur darinnen, daß man fromm ist, an den lieben Herrgott glaubt, denen Menschenkindern brav Gutes erweist und sich fleißig in acht nimmt, eine Sünd zu begehen.“
    „Da hast sehr recht; das ist ja auch ganz die meinige Meinung. Wie aber ist's denn mit denen Sternschnuppen gewest?“
    „Das ist folgendermaßen: Wann ein böser Mensch stirbt, so fährt seine Seel still, heimlich und im Dunkeln von dannen, von der Erd hinweg, damit ja keiner es merken und ein Gebet für sie sprechen soll. Aber wann ein guter Mensch seine irdische Wallfahrt beschließen tut, so kleidet der Engel des Todes seine Seel in ein Gewand von lauter Strahlenglanz, und darum leuchtet sie, wann sie zum Himmel geht, grad wie ein Sternenmeteor so licht und hell. Wer's nicht weiß, der nennt's halt eine Sternschnuppe; aber wer es weiß, dem ist es offenbar, daß es eine Seele ist, die zur Seligkeiten eilt, und wer sie derblickt, der soll die Worten beten:
    Herr, gib auch mir die Seligkeit,
Die diesem du gegeben,
Und leite mich nach dieser Zeit
Empor zum ew'gen Leben.
Aus Todesnacht
Zur Sternenpracht
Trag mich ein Seraphim empor,
Zu preisen dich im höhern Chor.“
    Sie sagte das so einfach und innig, im Ton innerster Überzeugung, daß er tiefer davon ergriffen wurde, als wenn er eine langatmige Predigt vernommen hätte. Was er schon geglaubt hatte, das wurde ihm nun zur Sicherheit, nämlich, daß dieses Mädchen ein Schatz sei, dessen Besitz das höchste irdische Glück zur Folge haben müsse.
    Unter dem Eindruck dieser Regung legte er, vielleicht ohne sich dessen selbst bewußt zu werden, im Gehen den Arm leise um ihren Leib. Sie schien diese Berührung gar nicht zu fühlen, denn sie sträubte sich nicht gegen dieselbe.
    Die Sympathie, welche ihre Herzen zueinander zog, war eine fromme und von der Sünde ungetrübt.
    So

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