72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
kann man handeln mit Mädchens? Sind Menschen eine Ware?“
„Zuweilen, ja.“
„Das kann ich nicht verstehen.“
„Nun, man verkauft sie in böse Häuser.“
„Davon weiß ich nichts.“
„Oder man verschachert sie nach Amerika. Man macht ihnen weis, daß sie dort sofort reiche Männer bekommen, und verschweigt ihnen, wozu sie dort eigentlich dienen sollen.“
„Von so einem Geschäft habe ich keine Ahnung. Wie kann man bringen Mädchens nach Amerika?“
„Nun, zum Beispiel durch den Kapitän Marmel.“
Das war ganz ohne alle Betonung, nur so wie nebenbei gesagt; aber der Jude wußte sogleich, daß die beiden mit ihm spielten, wie die Katze mit der Maus. Der Name seines Kapitäns war ihnen ja bereits bekannt! Dennoch sagte er kopfschüttelnd:
„Sollte man denken, was in der Welt alles vor sich geht! Unsereiner weiß nichts.“
„Es scheint freilich so, als ob Sie nichts wüßten. Dieses Geschäft floriert gerade hier in Triest gewaltig. Da sind zum Beispiel zwei Fischer, welche sich sehr damit befassen.“
„Wer ist das, Herr Kommissar?“
Sein Blick hing angstvoll an den Lippen des Polizisten, welcher der Wahrheit gemäß antwortete:
„Die Gebrüder Petruccio.“
„Die kenne ich nicht.“
„Auch diese nicht? Sie haben sehr recht. Ich nenne Ihnen lauter unbekannte Namen. Aber Sie haben doch gestern in der Weinstube mit dem einen der Brüder gesprochen!“
„Ich?“
„Ja, der Herr Hauptmann hat es gesehen.“
„So habe ich ihn nicht gekannt.“
„Aber dann sind doch alle beide bei Ihnen gewesen.“
„Das ist nicht wahr!“
„Also wieder ein Irrtum von –“
Er hielt inne, denn er wurde gestört. Die Tür ging auf und Max und Johannes traten ein. Sie kamen dem Juden höchst willkommen. Er eilte auf sie zu und rief:
„Da kommen die noblen Herren selbst. Hab ich doch geglaubt, daß Sie wollen abholen lassen Ihre Sachen.“
„Das werden wir auch“, antwortete Max. „Selbst forttragen werden wir die Einkäufe doch nicht. Aber wir wollen uns Ihre Bilder noch einmal ansehen. Es ist möglich, daß wir uns noch eins kaufen.“
„Schön, schön! Ich werde sie Ihnen gleich zeigen. Warten Sie nur einen Augenblick.“
Er glaubte, daß sich nun die Polizisten zurückziehen würden. Max blickte sich suchend um und sagte:
„Wissen Sie, Baruch Abraham, den Frauenkopf möchten wir noch einmal sehen, der hier an der Wand hing.“
„Ein Frauenkopf? Da war keiner da.“
Er sagte die Wahrheit. Max hatte nur den Kopf erwähnt, um Folgendes zu bringen:
„Keiner? Da irre ich mich freilich. Mein Freund ist ein Porträter und kauft gern Köpfe. Er sucht überhaupt – ach, Baruch Abraham, kann man hier Modelle bekommen?“
„Lebendige?“
„Natürlich.“
„Das weiß ich nicht. Ich bin nicht Maler und Künstler und habe mich nie um solche Dinge bekümmert. Annoncieren Sie doch einmal. Vielleicht meldet sich jemand.“
„Möglich“, sagte Max. „Aber gewöhnlich passen diejenigen einem nicht, welche sich melden, während interessante Köpfe – da fällt mir ein, ich habe einen außerordentlich feinen und interessanten Frauenkopf gesehen. Wenn diese Dame mir sitzen wollte!“
„So müssen Sie sie fragen.“
„Das kann ich nur mit Ihrer Hilfe.“
„Mit der meinigen? O weih! Wenn der alte Baruch Abraham Ihnen soll verhelfen zu einer Dame, so werden Sie bekommen niemals eine.“
„In diesem Fall ist es doch anders. Ich kenne sie gar nicht; Sie aber kennen sie.“
„Sagen Sie mir den Namen.“
„Sie heißt Anita Ventevaglio.“
„Anita Ven – ist es bereits doch das zweitemal, daß dieser Name mir wird genannt, ohne daß er mir ist bekannt.“
„Was?“ fragte Hans im Ton des Erstaunens. „Er wäre Ihnen unbekannt?“
„Ganz und gar.“
„Die Dame wohnt doch bei Ihnen.“
„Bei mir? Das ist nicht wahr.“
„Gewiß ist es wahr.“
„Wer sagt denn das?“
„Ich.“
„Sie? Wie können Sie sagen so etwas?“
„Ich habe sie gesehen und mein Freund auch.“
„Wann denn und wo denn?“
„Gestern nachmittag, da vor der Tür.“
„Das müßt ich doch auch wissen.“
„Besinnen Sie sich. Sie wollte Wasser und statt dessen gaben Sie ihr die Peitsche.“
„Die Peitsche? Ach, das ist gewesen nur so ein kleiner Scherz, den man sich macht mit einer lieben Verwandten.“
„Anita ist mit Ihnen verwandt?“
„Anita nicht. In meiner ganzen Freundschaft gibt es keine Dame, welche trägt den Namen.“
„Aber Sie sagten doch soeben, daß Sie sich
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