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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich sehen. Dann tät er wohl bei mir niederknieen und ein Vaterunser beten. Wie schön, wann es so kommen könnt!“
    „Paula, schweigen Sie! Das kann ich nicht mitanhören. Nun ich weiß, wer Sie sind, verspreche ich Ihnen, daß Sie frei sein werden.“
    „Das können 'S nicht versprechen.“
    „O ja, gewiß!“
    „Nein, nein!“
    „Ich gebe Ihnen mein Wort und das habe ich noch nie gebrochen. Nur erst die Stricke los!“
    „Ich arbeit immer; aber meine Fingern sind so schwach und zitternd worden. Da, da ist ein Knoten auf, und nun haben 'S die rechte Hand frei. Jetzt können 'S selbst mithelfen.“
    Das geschah und nach wenigen Minuten war er seine Fesseln los.
    „Jetzt werde ich Sie losschneiden“, sagte er.
    „Haben 'S denn ein Messern?“
    „Ja. Man hat mir nichts abgenommen, wie ich Ihnen bereits gesagt habe.“
    Er zog das Messer hervor und schnitt die Stricke entzwei, ohne sich vorher die Mühe zu geben, sie aufzuknüpfen.
    „So, jetzt sind Sie frei, Paula“, sagte er in mildem, wohlwollenden Ton. „Und nun sollen Sie auch trinken. Ich habe mir Schloß Miramare angesehen und nahm mir die Feldflasche voll Wein mit, weil ich nicht Gast sein wollte. Er wird Sie erquicken.“
    Er gab ihr die Flasche hin und sie führte sie mit zitternden Händen an ihre Lippen. Sie trank nur zwei kleine Schlucke, aber sie fühlte sofort neue Kraft und neues Leben durch ihre Adern rollen.
    „Hat es wohlgetan?“ fragte er.
    „Ja“, gestand sie. „Ich bin wie neugeboren.“
    „Nun, das soll auch ein Tag der Neugeburt Ihres Glücks werden. Ich hoffe zuversichtlich, daß Sie den Fex heut noch sehen werden.“
    „O nein, nein! Das darf nicht sein!“ wehrte sie ab.
    „Warum?“
    „Er und ich, wir müssen uns meiden.“
    „Dazu gibt's doch gar keinen Grund.“
    „Oh, einen großen.“
    „Welchen denn?“
    „Wir passen nimmer zusammen. Er wird ein berühmter Mann sein und ich bin die Tochter eines – eines – Sie wissen es vielleicht.“
    „Ja, ich weiß es. Aber es ist ein hartes Wort, daß Gott die Sünden der Väter heimsuche an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied. Gott ist die Liebe und die Barmherzigkeit. Er wird Ihnen nicht die Last Ihres Vaters aufbürden.“
    „Und dennoch, ich darf den Fex nicht sehen. Aber den Sepp möcht ich mal schauen.“
    „Wenn es zu ermöglichen ist, sollen Sie ihn sehen.“
    Der Wein hatte neuen Lebensmut in ihr angefacht. Darum wagte sie die Frage:
    „Und Sie meinen in Wirklichkeit, daß ich noch gerettet werden kann?“
    „Sie und alle anderen Mädchen.“
    „Wer aber sollt uns retten?“
    „Ich. Ich werde mit diesen Verbrechern ein ernstes Wort reden, wenn sie nämlich noch zur rechten Zeit zu mir kommen.“
    „Oh, das hilft nix. Sie hören auf niemand.“
    „Auf mich aber jedenfalls.“
    „So sind's wohl ein Polizist oder so ein ähnlicher Herr vom Gericht?“
    „Ja, ich gehöre zu diesen Beamten.“
    „So mag's der Herrgott geben, daß es gelingen tut.“
    „Ich denke, daß sie sich nicht mehr an uns vergreifen werden. Auf keinen Fall aber werde ich mich wieder fesseln lassen.“
    „So werden 'S halt kämpfen müssen.“
    „Hoffentlich entgehe ich der Schande, mit solchen Geschöpfen wieder in körperliche Berührung zu kommen.“
    Die Zelle war nicht allzu klein. Sie erlaubte einen Gang von einigen Schritten zu machen. Er benutzte das, indem er langsam hin und her ging. Paula saß in ihrer Ecke, nippte zuweilen von dem Wein und beantwortete die Fragen, welche er an sie richtete.
    So verging die Zeit. Er ließ seine Uhr repetieren – denn auch diese hatte man ihm gelassen. Sie zeigte fünf Uhr an.
    Da waren draußen Schritte zu vernehmen. Es schienen dieses Mal mehr als zwei Personen draußen zu sein. Der Riegel wurde weggeschoben und die Tür geöffnet. Derjenige, welcher vorn stand, hielt eine Blendlaterne so, daß das Licht derselben nur in die Zelle fiel; er selbst und diejenigen, welche hinter ihm standen, befanden sich im Dunkel.
    Die hohe Gestalt des Gefangenen wurde vom Kopf bis zum Fuße hell beleuchtet. Aller Augen fielen auf ihn.
    „Kennt Ihr mich?“ fragte er, einen Schritt vortretend.
    „Donnerwetter! Er hat sich frei gemacht!“ fluchte der Laternenträger.
    „Ob Ihr mich kennt?“ wiederholte der Gefangene.
    „Alle Teufel – alle Wetter – Kreuzhimmel –!“ so ertönten die Flüche durcheinander.
    „Die Tür zu!“ brüllte eine Stimme.
    Zu gleicher Zeit warf derjenige, welcher das gesprochen hatte, die Tür ins

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