72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
durch eine Lampe erleuchtet war.
Hier gab es mehrere Türen, welche durch starke, eiserne Riegel verschlossen waren. Man hörte hinter ihnen laute, lachende Mädchenstimmen erschallen.
Die beiden eilten weiter. Es wurde wieder finster. Bald führten Stufen empor, dann ging es wieder oben fort. Jetzt blieb der Vordere stehen und flüsterte:
„Hörst du ihn?“
Es war ein seufzendes Stöhnen zu vernehmen, wie wenn ein Mensch sich an einer großen Anstrengung vergeblich abquält.
„Ja“, antwortete der andere. „Er will sich von den Stricken losmachen.“
„Was tun wir?“
„Hm! Machen wir ihn kalt?“
„Eigentlich wäre es wohl das beste.“
„Aber wir wissen nicht, wer er ist.“
„Wie war er gekleidet?“
„Sehr fein.“
„Vielleicht ließe sich ein Lösegeld herausschlagen. Meinst du nicht auch?“
„Vielleicht. Aber es ist besser, er wird stumm gemacht. Wenn wir ihn gegen Lösegeld freilassen, kann er unser Geheimnis verraten.“
„Er muß schwören, zu schweigen.“
„Weißt du nicht, daß so ein Schwur nichts gilt? Er ist erzwungen.“
„Hm! Wollen es uns wenigstens überlegen.“
„Aber wohin stecken wir ihn? Es gibt ja keinen Platz. Es ist alles besetzt.“
„Das ist wahr. Wir müßten ihn zu der bayrischen Müllerstochter tun, welche in Fesseln liegt.“
„Das möchte ich nicht riskieren!“
„Warum denn nicht?“
„Sie reden doch miteinander.“
„Was schadet das?“
„Dadurch kann ja alles verraten werden.“
„Pah! Das Mädchen kommt heut auf das Schiff. Drüben mag sie reden. Niemand wird es ihr glauben.“
„Das mag sein. Also wollen wir ihn zu ihr stecken. Wenn dann heut nacht das Mädchen fort ist, so machen wir uns über ihn her.“
Sie gingen noch einige Schritte weiter. Das angestrengte Atmen und Schnaufen wurde deutlicher. Der eine Petruccio sagte laut:
„Streng dich nicht an! Diese Stricke zerreißt du doch nicht.“
Es wurde still.
„Wer bist du eigentlich?“ fuhr er fort.
Er erhielt keine Antwort.
„Wer du bist, habe ich gefragt.“
Abermaliges Schweigen.
„Du, er wird doch nicht etwa erwürgt sein!“ meinte der andere Bruder.
„So wär es auch weiter nichts.“
„Ziehen wir ihn heraus!“
„Ja, komm!“
Da, wo sie standen, hatte der Gang eine Seitennische, in welcher eine Art Göpelwerk stand. Die beiden drehten an demselben, und bald lag ein langer Gegenstand vor ihnen.
Der eine betastete denselben.
„Lebt er?“ fragte der andere.
„Ja.“
„Warum redet er nicht?“
„Entweder ist er zu stolz oder zu dumm dazu. Eins von diesen beiden ist's.“
Der Sprecher gab dem vor ihm liegenden Körper einen Stoß und gebot:
„Kerl, wenn du noch lebst, so rede!“
Es erfolgte keine Antwort.
„Der Halunke will nicht reden! Na, er hat es ja auch gar nicht notwendig. Wir brauchen seine süße Stimme nicht zu hören. Aber sehen wollen wir, ob er laufen kann. Ich werde ihm den Strick von den Beinen nehmen. Dann brauchen wir ihn nicht zu tragen.“
Er knotete den Strick auf und sagte dann:
„Steh auf, sonst helfe ich nach.“
Die Gestalt richtete sich auf. Sie war bedeutend länger als der Italiener. Dieser fühlte es, da er die Stricke gepackt hielt, welche dem Verunglückten um Leib, Arme und Oberbeine geschlungen waren.
„Nun lauf!“ gebot er und stieß ihn fort. Der Mann konnte nur sehr kleine Schritte machen, da nur seine Unterschenkel beweglich waren. Es dauerte einige Minuten, bis der Italiener anhielt. Einige schwere Riegel klirrten; eine Tür wurde geöffnet. Der Mann empfing einen Stoß und stürzte in ein finsteres Gelaß, auf dumpfiges Stroh. Hinter ihm wurde die Tür wieder verriegelt. Draußen verklangen die Schritte. Dann war es still ringsum. Doch nein! Der Mann lauschte. Es war ihm, als ob er regelmäßige Atemzüge höre.
„Ist jemand hier?“ fragte er.
Seine Stimme war sonor und klangvoll.
„Ja“, antwortete eine weibliche Kehle.
„Ah, eine Dame. Sind Sie Frau oder Mädchen?“
„Ich bin ein Dirndl.“
„Ein Dirndl! Sind Sie allein hier?“
„Ganz allein.“
„Wohl etwa auch gefesselt?“
„Ja, an die Wand gebunden.“
„Wissen Sie, wo Sie sich befinden?“
„Nein.“
„Und wer Sie gefangen hält?“
„Auch nicht.“
„Wie sind Sie denn hereingekommen?“
„Ich hab mich halt in Wien nach Triest vermietet. Wir waren mehrere Dirndls aus allen Gegenden und kamen mit dem Zug hier an. Dann wurden wir aus der Stadt geführt und in Boote geladen. Wir bekamen etwas zu trinken,
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