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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche durch die Depesche des Malers herbeigerufen worden waren.
    Nun waren wieder einmal die Freunde und Freundinnen beisammen, leider aber infolge einer für sie alle so hoch betrübenden Ursache. Der Schöpfer ihres Glücks lag im Sterben, denn daß sie es ihm zu verdanken hatten, mittelbar oder unmittelbar, darüber waren sie alle einig.
    Der Krickel-Anton kam erst gegen Abend.
    Er war am weitesten entfernt gewesen und hatte die Depesche auch später empfangen. Er hatte unmöglich eher kommen können.
    Marga wußte nicht, daß ihm telegrafiert worden sei und daß er also kommen werde.
    Alle die Angekommenen hatten sich in der Nähe einquartiert. Im Krankenhaus selbst durfte man keine Aufnahme suchen, weil der Kranke durch das dadurch unvermeidliche Geräusch beunruhigt worden wäre.
    Als Anton ankam, war von den Gästen zufälligerweise niemand anwesend. Er fand die Eltern allein in ihrem Stübchen. Als er bei ihnen eintrat, eilten sie auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Es herrschte jetzt ein wahrhaft rührendes Verhältnis zwischen ihnen und dem einst so rücksichtslosen Sohn. Er war wirklich ganz anders geworden, und seine Umkehr konnte eine gründliche genannt werden.
    Er legte den Mantel ab und fragte:
    „Ihr telegrafiert mir, daß der Sepp im Sterben liege, und ich solle kommen. Wo ist er denn eigentlich? Hier in der Nähe?“
    „Bei uns.“
    „Bei euch?“
    „Ja. Droben in der Stub liegt er.“
    „Wie ist denn das gekommen?“
    Sie erzählten es ihm. Da er ein sehr ernstes Gesicht dabei zeigte, fragte ihn der Vater:
    „Bist wohl bös darüber, daß wir ihn aufgenommen haben?“
    „Wie kommst du auf diesen Gedanken?“
    „Weilst mit ihm nicht zu aller Zeit gut Freund gewest bist.“
    „Das ist jetzt anders. Seit jenem Abend im Theater bin ich ihm nicht mehr feindlich gesinnt. Ob er sich aber viel daraus machen wird, mich vor seinem Tod noch einmal zu sehen, das bezweifle ich.“
    „So ist's recht, daß wir ihm dein Bett geben haben?“
    „Natürlich. Unter solchen Umständen muß man den fremdesten Menschen aufnehmen, wieviel mehr nicht diesen braven Mann, dem wir alle so viel zu verdanken haben. Ist er allein?“
    „Nein. Die Leni ist bei ihm.“
    „Wie? Die Leni ist auch schon da?“
    „Oh, noch mehrere.“
    Sie nannten ihm die Namen.
    „So finden wir uns ziemlich alle wieder einmal beisammen, leider aus einer sehr traurigen Veranlassung. Ich werde jetzt einmal hinaufgehen.“
    „Auch wann die Leni oben ist?“
    „Ich brauche sie nicht mehr zu scheuen.“
    Er stieg leise die Treppe empor und öffnete ebenso leise die Tür ein wenig, um hinein zu blicken. Klopfen durfte er nicht, weil er sonst den Kranken hätte aus dem Schlaf wecken können.
    Die Wohnstube war leer. Er schritt leise durch dieselbe und klinkte die Tür zur Schlafstube auf. Dort lag der Kranke, und bei ihm saß Leni, seine Hand in der ihrigen haltend. Er schien zu schlafen.
    Da sie mit dem Gesicht nach der Tür gewendet saß, sah sie Anton. Ein freundliches Lächeln bewillkommnete ihn. Sie winkte ihm, näher zu kommen und bot ihm, als er sich ihr auf den Zehen näherte, die andere Hand.
    „Grüß Gott, Anton“, flüsterte sie ihm leise zu. „Woher weißt, daß unser alter Freund krank worden ist?“
    „Die Eltern haben mir depeschiert.“
    „Davon hab ich nix wußt. Es ist sehr schön und lieb von ihnen und von dir auch, daßt kommst.“
    Welch ein Gefühl durchzog ihn, als dieses herrliche, von ihm einst verschmähte Wesen, jetzt eine Gräfin, ihn mit dem traulichen Du und im Dialekt anredete. Bis vor einiger Zeit hätte er sich gehütet, wieder unter vier Augen mit ihr zu sein. Nun aber war ihr Bild so ziemlich vor dem Glanz eines anderen erblichen. Sie war ihm nicht mehr so gefährlich.
    „Es ist doch meine Herzenspflicht, zu kommen“, antwortete er. „Wie steht es? Ist's gefährlich?“
    „Er wird wohl sterben müssen. Schau ihn nur mal an!“
    Ihre Augen hatten sich augenblicklich wieder mit Tränen gefüllt. Er sah es den Zügen des Kranken an, daß sie recht hatte. Hier war keine Rettung mehr zu hoffen.
    Trotzdem es schien, als ob er schlafe, bewegte der Sepp unaufhörlich den Mund. Er sprach immerfort leise mit den Lippen, und nur selten war ein Wort einmal zu verstehen.
    „Was phantasiert er denn?“ fragte Anton.
    „Immer nur vom König und von dessen Wahnsinn und Tod.“
    „So hat er es sich so zu Herzen genommen, daß er es nicht verwinden kann.“
    „Leider. Horch nur!“
    Grad jetzt sprach der Kranke

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