72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Unruhe. Nur Margas Hand war imstande, ihn zu beruhigen und zum Nehmen der Medizin zu veranlassen. Gegen Morgen schlief er endlich ein, und zwar dauerte der Schlaf mehrere Stunden lang.
Aber wer den Schläfer sah, der mußte alle Hoffnung verlieren, daß er sich wieder erholen werde. Seine Wangen fielen mehr und mehr ein; die Nase trat scharf und spitz hervor – das Leben zog sich mehr und mehr nach innen zurück.
Noch während er schlief, trafen die beiden ersten ein: nämlich Leni mit ihrem Mann, dem Grafen von Senftenberg.
Sie weinte laut auf, als sie hörte, wie es mit ihrem alten, treuen Wohltäter stand, der ihr mit der Ergebenheit eines Freundes zugetan gewesen war. Nur mit Mühe konnte sie sich soweit beherrschen, ruhig bei ihm eintreten zu können.
Aber als sie ihn liegen sah, mußte sie sich das Taschentuch vor den Mund halten, um still zu bleiben.
Marga hatte am Bett gesessen und war höflich aufgestanden. Sie kannte Leni nicht, aber bei dem tiefen Schmerz derselben sah sie, wie teuer ihr der Kranke sei. Darum legte sie den Arm um sie und flüsterte ihr leise tröstende Worte zu.
Da begann Sepp sich zu regen. Sofort trat Leni zurück, so daß er sie nicht zu sehen vermochte.
„Bitte, weinen Sie nicht laut; erschrecken Sie ihn nicht; suchen Sie sich zu fassen!“ bat Marga.
Dann nahm sie wieder bei ihm Platz. Er schlug die Augen auf. Sein Blick fiel auf sie. Er lächelte leise und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie reichte ihm die ihrige.
„Ist's Tag geworden?“ fragte er.
„Ja.“
„Bist die ganze Nacht bei mir gewest?“
„Sehr gern, lieber Sepp.“
„Nun mußt aber auch schlafen gehen!“
„Ich bin nicht müd.“
„Wannst auch nicht müd bist. Die Jugend muß schlafen. Ist der Doktor hier gewest wieder?“
„Ja.“
„Nicht wahr, er hat sagt, daß ich sterben muß?“
„O nein. Er gibt die beste Hoffnung.“
„Schau! Daßt auch so eine Unwahrheiten sagen kannst!“
„Es ist wahr!“
„Oh, ich weiß es schon: Du willst mich nur trösten. Aber das brauchst nicht. Ich sterb gar gern. Was sie mit ihm machen wollen und was sie von ihm sagen, das kann mein König nicht überleben. Er wird ganz gewiß sterben, er muß sterben und darum mag ich auch nicht leben bleiben. Wann der Tod kommt, so geh ich gern mit ihm. Also sag mir halt die Wahrheit! Was hat der Doktor sagt?“
„Daß du an der Lungenentzündung leidest, daß er aber alle Hoffnung hat, dich zu retten.“
„Und jetzt sagst mir die Wahrheit noch nicht. Wann's nicht zum Tod gefährlich wär, würde der Arzt nicht auch die Nacht noch kommen sein. Aber ich kann dir halt nicht zürnen, wannst mir seine Red' verschweigst. Ich weiß, daßt es gar gut meinst. Doch will ich denken, daß es zu End geht mit mir und meine Vorkehrungen danach treffen. Dabei sollst mir helfen.“
„Verlange alles von mir, Sepp!“
„Es ist gar nicht viel, wast machen sollst. Nur eine Depeschen sollst abgeben.“
„An wen?“
„An meinen einzigen Herzensliebling, der mir die Sonne gewest ist in meinem alten einsamen Leben. Weißt, wen ich meine?“
„Nein.“
„Kennst meine Leni nicht?“
„Die Sängerin? Die Gräfin von Senftenberg?“
„Ja.“
„Gelesen und gehört habe ich viel von ihr.“
„Schade, daßt sie nicht kennst! Aber du wirst sie kennenlernen, sie wird kommen und ihr werdet gute Freundinnen werden. Weißt, sie ist ein gar herzig liebs Weiberl, ganz ohne Falsch. Ich kann ihr nicht vergelten, wie glücklich sie mich gemacht hat, aber droben beim lieben Herrgott werd ich eine Fürbitt einlegen, daß ich als ihr Schutzengel niedersteigen darf, um bei ihr zu bleiben, bis sie auch da hinaufikommt zum alten Sepp.“
Es läßt sich nicht sagen, welcher Beherrschung es bedurfte, daß Leni nicht gerade aufschrie vor Schmerz. Der Alte fuhr fort:
„Wannst nur ein Papier da hättest!“
„Ich habe eine Brieftafel.“
„Kannst da eine Depeschen aufschreiben?“
„Ja.“
„So will ich diktieren. Bist fertig?“
„Du kannst beginnen.“
„Also schreib: An die Gräfin Leni von Senftenberg. Mein herziges Lenerl. Wannst Deinen alten Sepp nochmal sehen willst, so komm aber schnell herbei. Es geht mit ihm gar schnell auf die Neige und er möcht doch gern haben, daßt ihm die müden Augen zumachst. Er denkt, daß er eher Gnade beim Herrgott findet, wann Du an seinem Sterbebett mit ihm betest. Also komm, ich bitt' gar schön! Dein sterbender, alter Pflegevater.“
Marga rannen beim Schreiben die Tränen auf das
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