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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Papier. Selbst der Sepp weinte.
    „Lieber Sepp“, sagte sie, „weißt du auch, was du tust? Die Gräfin wird kommen; aber du wirst wohl zu schwach sein für die Aufregung, welche dir dadurch bereitet wird.“
    „Zu schwach?“ lächelte er. „Aufregung? Nein, es wird keine Aufregung geben. Wann ich aufgeregt wäre, würde ihr Kommen mich beruhigen. So ist es. Weißt, die Leni hat ein Aug und eine Hand grad so wie du. Wann man ihr ins Aug schaut, so wird einem wohl. Darum send die Depesch nur fort und laß sie kommen.“
    Da konnte Leni sich nicht länger halten. Unter strömenden Tränen, aber ohne einen Laut von sich zu geben, trat sie an das Kopfende des Betts und legte ihm von oben her ihre beiden Hände an die Wangen.
    „Ist noch jemand da?“ fragte er erstaunt. „Wer ist's? Wart, ich werd's gleich wissen.“
    Er schloß die Augen. Ein glückseliges Lächeln verklärte seine Züge mehr und mehr. Er ergriff die beiden Hände und sagte, ohne die Besitzerin derselben gesehen zu haben:
    „So braucht also die Depeschen gar nicht fortgeschickt zu werden. Wie machst mich doch so glücklich, daßt kommen bist, meine Herzensleni. Komm herbei und laß mich in deine Augen schauen!“
    Jetzt trat sie an die Seite des Betts. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und tat sich den größten Zwang an, ruhig zu erscheinen.
    Er schlang beide Arme um ihren Hals und zog sie zu sich herab. Er wollte sie auf die Stirne küssen; sie aber griff um seine Schultern, drückte ihn an sich und bedeckte Mund, Stirn, Wangen, kurz sein ganzes Gesicht mit ihren Küssen.
    Er ließ es sich ruhig gefallen. Er zuckte und bewegte sich nicht, als ob er eine ganze Seligkeit über sich hereinbrechen fühle. Dann, als sie ihre Arme wieder von ihm genommen hatte, sagte er:
    „Jetzund kann ich ruhig sterben; jetzt bist du bei mir. Ich weiß nicht, was über mich kommen kann. Ich muß dir was zeigen und sagen, bevor ich die Besinnung verlier. Weißt, wo mein Rucksack liegt?“
    „Da unter dem Bett“, antwortete Marga.
    „Mach ihn mal aufi! Es ist eine Blechbüchsen drin, welche verlötet ist. Die muß ich dir zeigen.“
    Leni folgte seiner Anweisung und gab ihm die Blechbüchse in die Hand.
    „Schau, Leni, das ist mein Testament“, sagte er. „Es ist in aller Form rechtens gemacht und kann nicht angefochten werden. Wer wollt es auch anfechten? Ich hab ja keinen Verwandten auf der Welt.“
    Er holte tief Atem und fuhr dann fort:
    „Ich bin nicht so arm, wie man denkt. Ich hab nicht nur Wurzeln graben, sondern ich hab auch Dinge verrichtet, zu denen sonst ganz andere Kerle genommen werden als der Wurzelsepp scheinbar ist. Das mag sein, wie es wolle, man mag sich den Kopf zerbrechen, wer und was ich eigentlich gewest bin. Ich könnt's sagen, doch das hätte keinen Zweck. Ich bin als der Wurzelsepp bekannt und will auch als derselbige begraben werden. Du bist meine einzige Erbin. Ich hatte denkt, du tätst ein armes Dirndl bleiben. Darum hatt ich für dich sorgt. Nun aber bist Gräfin und sehr reich. Da hab ich dir zwar all mein Geld geben, aber ich hab dazu schrieben, zu welchen Wohltaten du es verwenden sollst. Der Sepp hat in seinem Leben vielen Menschen holfen, ohne daß sie es ahnen; er will dies auch noch nach seinem Tod tun. Also mach, was darinnen steht, aber sage nicht, daß es von mir ist! Nun bin ich fertig. Willst also meine Erbin sein?“
    „Ja, ja“, schluchzte sie. „Aber kein Pfennig davon soll für mich verwendet werden; das schwöre ich dir!“
    „Brauchst keinen Schwur. Ich kenn schon meine Leni gar zu gut. Hast deinen Mann auch mitbracht?“
    „Ja.“
    „Das ist schön von ihm; das gefreut mich sehr, daß er den alten Sepp auch noch ein wengerl achtet. Jetzt nun ruh dich aus von der Reisen, und nachher kannst den Grafen zu mir bringen.“
    „Ich mag nicht ruhen. Ich will bei dir sein.“
    „So kann die Marga dafür ausruhen. Also bleib da. Aber jetzund kann ich weiter niemand brauchen, denn der Frost kommt wieder und das Fieber beginnt mich zu schütteln. Ich hab mich mit den Sprechen zu viel anstrengt. Nun will ich still und ruhig sein.“
    Er schloß die Augen. Bald aber begannen seine Züge, seine Glieder, sein ganzer Körper zu zucken, und sein Mund murmelte halblaute, unverständliche Worte. Da kam der Arzt. Er stand lange am Bett und schüttelte den Kopf. Er mußte seinen gestrigen Ausspruch festhalten; der Zustand des Kranken hatte sich keineswegs gebessert.
    Im Laufe des Vormittags kamen die anderen,

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