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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wohlklingende, milde Frauenstimme.
    „Wasser, schon wieder Wasser“, sagte er halblaut für sich. „Werde es Ihnen sofort geben.“
    Er eilte nach der Hintertür, nahm dort etwas, was die beiden Jünglinge wegen der Dunkelheit nicht deutlich erkennen konnten, von der Wand und riegelte die Tür auf.
    Jetzt, da die letztere geöffnet war, konnte man in einen kleinen, kahlen Hof blicken, welcher rings von nackten Mauern umgeben zu sein schien.
    Draußen, hart vor der Tür, stand ein junges Mädchen. Sie trug nur ein einziges kurzes und schäbiges Röckchen, keine Schürze darüber. Außer demselben waren ein kurzes Mieder und ein schmutziges Hemd ihre einzigen Kleidungsstücke.
    Aber trotz dieses ärmlichen Habitus leuchtete die jugendliche Schönheit und Lieblichkeit aus allen ihren Formen hervor. Die kleinen Füßchen waren nackt, und das reiche, dunkle Haar hing in langen, dicken Zöpfen von dem schön gezeichneten Kopf hernieder.
    Jetzt sahen die beiden Männer auch den Gegenstand deutlich, welchen der Jude in der Hand hatte. Es war eine starke, kurzgestielte und aus Riemen geflochtene Peitsche.
    Er holte blitzschnell, ehe das Mädchen dies vermuten konnte, aus und versetzte demselben einige so kräftige Hiebe über die halb entblößten vollen Schultern, daß die Getroffene mit einem lauten Wehruf zurückfuhr.
    „Da ist Wasser!“ schrie er zornig dazu. „Trinkt es und badet Euch darin! Wenn Ihr mehr haben wollt, braucht Ihr es nur zu sagen.“
    Damit warf er die Tür zu, schob den Riegel vor und hing die Peitsche wieder an die Wand.
    Das war so schnell geschehen, daß weder Max noch Johannes Zeit gefunden hatten, ihn an der Ausführung dieser Roheit zu verhindern.
    „Aber, Baruch Abraham, was tust du da!“ sagte der erstere. „Wer wird ein so hübsches Mädchen schlagen!“
    „Eben weil sie ist hübsch, muß sie werden geschlagen“, antwortete der Jude. „Sind doch die Hübschesten stets die Allerschlimmsten, was die hohen Herren wohl auch noch erfahren werden.“
    „Was hat sie denn getan?“
    „Wasser hat sie verlangt!“
    „Ist das denn etwas Schlimmes?“
    „Ja. Wenn ich soll geben des Tages wohl fünfzig oder sechzigmal Wasser, wie soll ich da Zeit finden zu arbeiten im Geschäft, wenn feine Leute kommen, sich anzusehen meine Sachen.“
    „Kann das Mädchen denn sich nicht selbst das Wasser holen, welches sie braucht?“
    „Nein. Das ist verboten.“
    „Warum?“
    „Warum? Weil ich es nicht darf dulden, wenn mein Geschäft nicht soll gehen ganz zugrunde. Aber warum wollen wir reden von dem Mädchen, da wir doch haben besseres zu tun. Die Herren mögen eintreten.“
    Er öffnete eine Seitentür, welche in einen niederen Raum führte, der so vollgepfropft mit allerhand Sachen war, daß man kaum Platz zum Stehen fand. Durch die hintere Mauer des Gewölbes führte eine schmale Tür hinaus in den Hof.
    Nun begann er, seine Herrlichkeiten vorzuzeigen. Max fand verschiedene Bücher, welche sein Interesse erregten, und stellte sich mehrere davon zur Seite, indem er immer weiter sucht. Johannes betrachtete sich die Bilder, welche an den Wänden hingen.
    Da wurde die Eingangstür geöffnet, und unter derselben erschien ein altes, häßliches Weib, jedenfalls die Frau des Juden.
    „Ich gehe in die Stadt“, sagte sie. „Hast du vielleicht etwas zu besorgen, Baruch?“
    „Ja, Sarahleben!“ antwortete er. „Kannst mit zur Post gehen und nach Briefen fragen.“
    Die Alte hatte mit jener lauten Stimme gesprochen, welche Schwerhörigen eigentümlich ist. Als ihr der Mann jetzt antwortete, hielt sie die Hand an das Ohr und fragte:
    „Was hast du gesagt?“
    Da trat er näher und wiederholte:
    „Du sollst fragen, ob Briefe angekommen sind!“
    „Ach so! Briefe. An wen?“
    „An mich. Fragst nach Herrn Gärtner mit dem Zeichen Nummer hundert. Verstanden?“
    „Ja. Briefe an Herrn Gärtner Nummer hundert. Aber woher denn?“
    „Aus Wien natürlich, von dem Herrn Baron von Stubbenau.“
    „Ja, ich weiß es, von dem Herrn Baron von Stubbenau, er, dem ich vor vierzehn Tagen vierhundertachtzig Gulden eingezahlt habe. Gibt es sonst noch etwas?“
    „Nein. Mach daste kommst fort!“
    Er sagte das letztere in beinahe zornigem Ton. Es schien ihm unlieb zu sein, daß die beiden Fremden Zeugen des Gesprächs geworden waren.
    Diese zwei Genannten hatten natürlich alles gehört, ohne aber etwas Auffälliges darin zu finden, daß der Jude sich unter einer anderen Adresse postlagernd Briefe schicken ließ. So

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