72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
kommen werde?“
„Mein Herz sagte es mir.“
Das klang so rührend, so aufrichtig. Ihr Ton war dabei so herzlich und doch so mädchenhaft zagend. Er wußte selbst nicht, wie ihm geschah. Es ging in seinem Innern etwas vor, wofür er keine Worte fand.
„Ihr Herz soll Sie nicht getäuscht haben“, sagte er. „Sie sollen frei sein. Nun aber müssen wir scheiden. Leben Sie wohl, Anita!“
„Leben Sie wohl, Johannes“, erklang es von oben. „Auf Wiedersehen, mein Retter!“
Das Gespräch war beendet, so daß der Maler seine Aufmerksamkeit nun ungeteilt auf das Gemälde richten konnte. Er war kein Meister, sondern erst ein angehender Schüler der Kunst, aber wenn er auch noch keine kritische Schärfe des Blickes besaß, so hatte er doch genug künstlerischen Instinkt, zu sehen, daß er nur alte, wertlose Schmierereien vor sich sah.
Eine Landschaft war das einzige, für welche er etwas bieten zu dürfen glaubte. Er fragte nach dem Preis.
„Das ist ein Murillo!“ erklärte der Jude. „Der ist freilich teuer.“
„Ein Murillo?“ lachte Johannes. „Sie sind wohl nicht bei Trost!“
„Ich? Oh, Baruch Abraham ist stets bei Trost. Er ist der erste Kunstkenner, den es gibt!“
„So! Also Murillo hat eine norwegische Schneelandschaft gemalt!“
„Mehrere sogar!“
„Wie kommt denn Murillo zu Schneelandschaften?“
„Er war ja in Norwegen, ja, er wohnt sogar noch jetzt in diesem Land.“
„Ah! Murillo ein Norweger! Das ist gut, das ist einzig! Wissen Sie, Murillo war ein Spanier!“
Aber Baruch Abraham war nicht aus der Fassung zu bringen; er hatte selbst in der allerschlimmsten Klemme eine Ausrede.
„Zuweilen war er ein Spanier, nur zuweilen“, antwortete er. „Spanien und Norwegen liegen bekanntlich als Nachbarländer nebeneinander. Murillo ist bald hüben und bald drüben gewesen, darum war er heut ein Norweger und morgen ein Spanier.“
„Auch gut! Darüber wollen wir nicht streiten.“
„Der Streit würde den gnädigen Herrn auch zu nichts führen. Ich bin ein ebenso guter Geograph wie Kunstkenner; was ich weiß, das weiß ich sehr genau. Also, wollen Sie das Bild kaufen?“
„Als einen Murillo nicht.“
„So kaufen Sie es als etwas anderes!“
„Nennen Sie den Preis!“
„Dreihundert Gulden.“
Johannes antwortete nicht. Er schaute dem Alten still lächelnd in das runzelige Gesicht. Dieser glaubte, er sei nicht verstanden worden und wiederholte:
„Dreihundert Gulden.“
„Ich habe es gehört. Ich schaute Sie nur an, um zu sehen, ob Sie nicht vielleicht dreihundertmal verrückt sind.“
„Verrückt? Baruch Abraham verrückt! Gott der Gerechte, und noch dazu dreihundertmal!“
Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Ja, so denke ich“, nickte Johannes. „Wer für diese Schmiererei dreihundert Gulden verlangen kann, bei dem rappelt es im Kopf.“
„Rappeln, rappeln! O ihr Erzväter und heiligen Propheten! In meinem Kopf soll es rappeln. Hat man schon so etwas gehört!“
Da trat Max herbei, warf einen Blick auf das Bild und meinte:
„Sprechen wir dann darüber. Jetzt möchte ich wissen, was Sie für die Bücher verlangen, die ich mir ausgesucht habe.“
„Sogleich, sogleich. Ich werde nachschauen, was ich gegeben habe dafür und wieviel ich muß fordern, wenn ich sie will verkaufen gegen fünf Prozent Verlust, was ich aber nur tue, weil sie mir werden bezahlt mit barem Geld.“
Der alte, schlaue Fuchs und Lügner suchte ein altes Geschäftsbuch hervor und verglich die Bemerkungen, mit denen jedes antiquarische Werk versehen war, mit den dortigen Aufzeichnungen.
Das dauerte ziemlich lange. Währenddem standen Johannes und Max entfernt von ihm beieinander, und der erstere erzählte dem letzteren in der Eile alles, was er gesehen, gehört und dem Mädchen versprochen hatte.
„Hab ich es recht gemacht?“ fragte er dann.
„Ja.“
„Du entführst sie mit?“
„Versteht sich. Das gibt doch einmal eine kleine Abwechslung in das Reiseleben, welches einen durch seine Einförmigkeit endlich ermüden muß. Man wird nach und nach blasiert.“
„Max!“
„Ja, ja. Du glaubst es gar nicht. Ich bin es herzlich müde und sehne mich aufrichtig nach der Heimat zurück.“
„Um vielleicht doch noch eine Spur von der Silbermartha zu finden!“
„Still, wenn du mich nicht erzürnen willst! Bleiben wir bei der Sache. Ich bin ein wenig älter und vielleicht auch ein wenig erfahrener als du. Überlaß es mir, den Juden zu behandeln. Wir müssen es so
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