72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
nein. Das wolle Gott verhüten, denn wer da ist gewesen so dumm, zu sterben, der kann nicht wieder kommen zurück und retour. Aber nun weiß ich ganz gewiß, daß die Herren nicht wieder werden kommen zu mir.“
„Warum nicht?“
„Weil Sie mir haben versprochen guten Wein und dazu feine Zigarren.“
„Und das glauben Sie nicht?“
„Wie soll ich das können glauben?“
„Ist Ihnen das noch nie passiert?“
„Noch nie in meinem ganzen Leben. Sind die Herren denn gar so grausam reich, daß sie können verschenken eine solche Summe?“
„Nein, reich sind wir nicht, aber nobel. Den Wein und die Zigarren werden wir übrigens nur dann geben, wenn wir mit Ihrem Preis zufrieden sind. Jetzt ade!“
„Ja, ade sagen wir; aber ich werde hoffen auf Ihr Kommen, bis es ist geworden neun Uhr.“
Er schloß hinter ihnen zu.
Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander hin. Dann sagte Johannes:
„Wollen wir wirklich hinauf nach dem Kastell?“
„Nein. Ich sagte das nur, um den Kerl später bitten zu können, daß er uns zum Hof hinauslasse. Glücklicherweise kam er selbst auf den Gedanken!“
„So war also schon das Berechnung von dir?“
„Ja. Komm, ich habe Lust, etwas Gutes zu essen. Da ist die Villa Ferdinandeo der richtige Ort dazu. Dort hat sich das Restaurant zum Jäger etabliert, wo man ebenso gut wie billig speist.“
„Wie du das alles weißt!“
„Ich erkundige mich. Der Mensch soll für seinen Geist sorgen, indem er den Leib nicht verderben läßt, sonst wird aus dem Leib eine Leiche, aus dem Geist ein Gespenst, und alle Glückseligkeit ist vorüber. Das habe ich den armen, frommen italienischen Klosterbrüdern abgesehen, welche sich so fleißig kasteien und doch so wohlgenährt sind.“
Sie kamen durch die hübschen Anlagen des Boschetto (Eisenhügels) hinauf nach dem genannten Restaurant und setzten sich da unter den Bäumen nieder.
Wie auf Verabredung sprach von den beiden keiner ein Wort über das Erlebnis und das noch zu erwartende Abenteuer, bis sie gegessen hatten. Dann aber sagte Johannes, der seine Ungeduld nicht länger zu bemeistern vermochte:
„Du redest doch gar nichts, Max. Hast du dich vielleicht anders besonnen?“
„Ja“, antwortete der Gefragte in ernstem Ton.
Johannes erschrak.
„O weh!“ rief er aus. „Arme Anita!“
„Ach was Anita! Was geht uns dieses fremde Mädchen an!“
„Sie ist unglücklich, sehr unglücklich!“
Max steckte sich eine Virginia an, tat einige Züge und sagte dann bedächtig:
„Freund, der Mensch muß Philosoph sein. Dazu gehört vor allen Dingen, daß man sich so wenig Arbeit wie möglich macht.“
„Seit wann hast du solche Grundsätze?“
„Schon seit einiger Zeit. Ich erkenne, daß es die bequemsten Grundsätze sind, die man haben kann.“
„Ja, bequem, aber nicht ehrenhaft.“
„Du, das mit der Ehre ist auch ein sehr streitiger Punkt. Was ist die Ehre. Die Summe von verschiedenen unbequemen Rücksichten, welche man auf sich und andere zu nehmen hat.“
„Das mißbilligst du?“
„Jawohl.“
„Max!“
„Schweig! Du bist noch so ein blutiger Mensch, daß du erfahrenere Leute, wie ich ja bin, reden lassen mußt.“
„Also deine Philosophie ist sowohl dem Mitleid als auch der Ehre abhold?“
„Gewiß! Denke dir, wir haben ein Mädchen gesehen, welches dem Juden echappieren will. Gut, dagegen habe ich gar nichts. Sie mag es tun. Uns aber soll sie dabei in Ruhe lassen. Denn was haben wir davon? Arbeit, Plage, Ärger, Geldausgaben und anderes, lauter nicht sehr wünschenswerte Dinge.“
„Ich begreife dich nicht. Ich kenne dich gar nicht wieder. Du bist mir fremd geworden.“
Sein Gesicht hatte sich vor Unmut gerötet. Max aber meinte in gelassenem Ton:
„Mein Sohn, so mußt du mich von neuem kennenlernen. Weiter bleibt dir gar nichts übrig.“
Johannes hielt noch immer zurück. Sein sanftes Naturell sträubte sich gegen jeden Krafterguß.
„Also du willst wirklich nicht?“ fragte er.
„Nein.“
„So werde ich es allein unternehmen.“
„Unsinn!“
„Ja, ich habe es ihr versprochen, und ich halte Wort. Weißt du? Ich halteWort!“
„Gefällt sie dir denn gar so sehr?“
Johannes errötete bis hinter die Ohren. Dennoch antwortete er in seiner aufrichtigen Weise:
„Ja, sie hat mir außerordentlich gefallen. Sie ist ein gutes Mädchen, und ich hole sie heraus!“
„Wenn du dich jedem Mädchen widmen willst, welches du für gut hältst, so hast du bald für dich selbst keine Zeit mehr
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