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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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musste mich anstrengen, um das Interesse eines Mädchens zu wecken, und selbst wenn es mir gelang, verlief nicht immer alles nach Plan. Einmal schaffte ich es beispielsweise nach monatelangen Anstrengungen, mich mit einem Mädchen zu verabreden, das ich wirklich mochte. Ich fuhr mit ihr zu Las Delicias, und sie wartete im Auto, während ich für uns beide Eis holte. Als ich, eine Eiswaffel in jeder Hand, zum Wagen zurückkehrte, stolperte ich über irgendetwas auf dem Bürgersteig und verlor das Gleichgewicht.Verzweifelt und mit wildem Winken in Richtung des geparkten Autos bemühte ich mich, die Balance zu halten und das Eis zu retten, aber ich hatte keine Chance. Später fragte ich mich oft, wie der Vorfall für das Mädchen im Auto ausgesehen haben musste: Ihr Verehrer kommt in großem Bogen über die Straße auf sie zugetorkelt, weit vornübergebeugt, die Augen weit aufgerissen, der Mund offen. Er stolpert in Richtung des Autos, scheint sich vor ihr zu verneigen, seine Wange klatscht gegen das Fenster der Fahrertür, der Kopf prallt heftig vom Glas zurück. Dann verschwindet er aus dem Gesichtsfeld, gleitet zu Boden, und was bleibt, sind nur zwei tropfende, über die Fensterscheibe verschmierte Eisbällchen.
    So etwas wäre Panchito nie und nimmer passiert. Er war einer von denen, die es einfach drauf hatten, und alle beneideten ihn um die Eleganz und Leichtigkeit, mit der er durchs Leben kam. Aber ich kannte ihn besser und wusste, dass das Leben auch für Panchito nicht so einfach war, wie es den Anschein hatte. Hinter allem Charme und Selbstvertrauen versteckte sich ein melancholisches Gemüt. Er konnte reizbar und distanziert sein. Oft versank er lange in düsterer Stimmung und übellaunigem Schweigen. Außerdem steckte eine gewisse Unruhe in ihm, ein Anflug von Widerwillen, der mich beunruhigte. Immer wieder versuchte er, mich mit rücksichtslosen Fragen zu provozieren: Wie weit würdest du gehen, Nando? Würdest du bei einer Klassenarbeit betrügen? Würdest du eine Bank ausrauben? Ein Auto klauen?
    Wenn er so daherredete, lachte ich immer, aber ich konnte nicht darüber hinwegsehen, dass solche Fragen eine gewisse Unzufriedenheit und Traurigkeit offenbarten. Ich verurteilte ihn deshalb nicht, wusste ich doch, dass alles der Ausfluss eines gebrochenen Herzens war. Panchitos Eltern hatten sich scheiden lassen, als er vierzehn war. Diese Katastrophe hatte bei ihm Wunden hinterlassen, die nicht heilen wollten, sowie einen starken Groll. Er hatte zwei Brüder und einen Stiefbruder aus einer früheren Ehe seines Vaters, und doch fehlte ihm etwas. Ich glaube, er sehnte sich nach der Liebe und Geborgenheit einer glücklichen, vollständigen Familie. Es dauerte nicht lange, dann hatte ich es klar erkannt: Bei allen natürlichen Begabungen, mit denen er gesegnet war, bei allen Dingen, um die ich ihn beneidete, beneidete er mich noch viel mehr um das Eine, das ich hatte, während er davon nur träumen konnte – meine Schwestern, meine Großmutter, meine Mutter und mein Vater, wir alle zusammen in der Wärme eines glücklichen Zuhauses.
    Aber für mich war Panchito mehr Bruder als Freund, und meine Familie hatte ihn ebenso ins Herz geschlossen. Von dem Augenblick an, als meine Eltern ihn kennen lernten, behandelten sie Panchito wie einen Sohn, und sie ließen ihm keine andere Wahl, als unser Zuhause zu seinem Eigenen zu machen. Panchito nahm die Einladung freudig an und gehörte schon bald richtig zu uns. Er verbrachte das Wochenende bei uns, ging mit uns auf Reisen, war wie selbstverständlich im Urlaub und bei Familienfesten dabei. Mit meinem Vater und mir teilte er die Begeisterung für Autos und das Autofahren, und er ging gern mit uns zu Autorennen. Für Susy war er ein zweiter großer Bruder. Meine Mutter mochte ihn besonders. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er sich an den Küchentisch schob, während sie kochte, und wie sie sich dann stundenlang unterhielten. Häufig neckte sie ihn wegen seiner vielen Freundinnen. »Du kannst an nichts anderes denken«, sagte sie dann. »Wann wirst du endlich erwachsen?«
    »Wenn ich erwachsen bin, lege ich erst richtig los!«, erwiderte Panchito in solchen Fällen. »Ich bin gerade erst 18, Mrs. Parrado! Ich fange gerade erst an.«
    Ich erkannte viel Kraft und Tiefe in Panchito, in seiner unverbrüchlichen Freundschaft zu mir, in der energischen, beschützenden Art, mit der er über Susy wachte, in seinem ruhigen Respekt gegenüber meinen Eltern, sogar in seinem

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