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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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schlecht Luft.«
    Seine Stimme war leise und dünn, aber seine Augen leuchteten, als er mich näher an sich zog und mit einem sanften Drängen sprach. »Ich weiß, dass ich Gott immer näher komme«, sagte er. »Manchmal spüre ich Seine Gegenwart ganz nahe bei mir. Ich kann Seine Liebe spüren, Nando. Da ist so viel Liebe, dass ich am liebsten weinen würde.«
    »Du musst durchhalten, Arturo.«
    »Ich glaube, für mich wird es nicht mehr lange dauern«, antwortete er. »Ich merke, wie Er mich zu sich zieht. Bald werde ich Gott kennen lernen, und dann habe ich die Antwort auf alle deine Fragen.«
    »Soll ich dir ein bisschen Wasser holen, Arturo?«
    »Nando, ich möchte, dass du an eines denkst: Sogar hier, an diesem Ort, hat unser Leben einen Sinn. Unser Leiden ist nicht umsonst. Selbst wenn wir hier für immer gefangen sind, können wir unsere Familien und Gott und uns gegenseitig lieben, so lange wir leben. Selbst an diesem Ort ist unser Leben lebenswert.«
    Als Arturo das sagte, leuchtete aus seinem Gesicht eine heitere Stärke. Ich schwieg, denn ich fürchtete, meine Stimme könnte versagen, wenn ich zu sprechen versuchte.
    »Du wirst meiner Familie sagen, dass ich sie liebe, ja? Das ist das Einzige, was für mich jetzt noch wichtig ist.«
    »Das wirst du ihnen selbst sagen«, erwiderte ich.
    Arturo lächelte über meine Lüge. »Ich bin bereit, Nando«, fuhr er fort. »Ich habe vor Gott gebeichtet. Meine Seele ist rein. Ich werde ohne Sünde sterben.«
    »Was heißt denn das?«, lachte ich. »Ich dachte, du glaubst nicht an den Gott, der uns die Sünden vergibt.«
    Arturo sah mich an und brachte ein dünnes, selbstkritisches Grinsen zuwege. »In Zeiten wie dieser erscheint es mir klug, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen«, sagte er.
    Während der ganzen ersten Novemberwoche wurde Arturo immer schwächer, und er rückte weiter von uns weg. Pedro Algorta, sein bester Freund, blieb die ganze Zeit in seiner Nähe, brachte ihm Wasser, wärmte ihn und betete mit ihm. Eines Abends fing Arturo an, leise zu weinen. Als Pedro ihn fragte, warum, erwiderte Arturo mit in die Ferne gerichtetem Blick: »Weil ich Gott so nahe bin.« Am nächsten Tag bekam Arturo hohes Fieber. Achtundvierzig Stunden lang fantasierte er, war dazwischen immer wieder ohne Bewusstsein. An seinem letzten Abend halfen wir ihm, aus der Hängematte zu klettern. So konnte er neben Pedro schlafen, und irgendwann vor dem Morgengrauen starb Arturo Nogueira, einer der tapfersten Männer, die ich jemals kennen gelernt habe, in den Armen seines besten Freundes.
     
     
    Am Morgen des 15. November blickten Numa, Roberto,Tintin und ich in dasTal im Osten hinunter.Wir waren bereit, es konnte losgehen. Numa stand neben mir, und obwohl er es zu verbergen versuchte, merkte ich, dass er Schmerzen hatte. Seit der Lawine hatte er sich trotz seines Widerwillens zum Essen gezwungen – er wusste, dass er für die Expedition alle seine Kräfte brauchte. Dennoch brachte er wie Coche jedes Mal nur ein paar Bissen hinunter, und manchmal konnte er sich überhaupt nicht überwinden, etwas zu schlucken. Obwohl er nach wie vor einen starken Willen hatte, konnte man deutlich erkennen, dass sein Körper geschwächt war. Ein paar Nächte zuvor war jemand auf dem Weg durch den dunklen Flugzeugrumpf auf Numas Unterschenkel getreten. Sehr schnell hatte sich ein hässlicher Bluterguss gebildet, und als Roberto sah, wie stark das Bein angeschwollen war, riet er Numa, auf die Expedition zu verzichten. Aber Numa versicherte, man brauche sich wegen des Blutergusses keine Sorgen zu machen, und lehnte es strikt ab, zurückzubleiben.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte ich ihn, nachdem wir unsere Sachen gepackt und uns von den anderen verabschiedet hatten. »Bist du sicher, dass du es mit dem Bein schaffst?«
    Numa zuckte die Achseln. »Ist nicht der Rede wert«, sagte er. »Ist schon alles wieder gut.«
    Als wir den Abhang hinunterstiegen, war der Himmel bewölkt und die Luft eisig, aber es wehte nur ein leichter Wind, und trotz meiner Bedenken wegen der östlichen Route war es ein gutes Gefühl, die Absturzstelle endlich zu verlassen. Anfangs kamen wir bergab gut voran, aber nach ungefähr einer Stunde verdunkelte sich der Himmel, es wurde noch kälter, und um uns herum wirbelte in wilden Spiralen der Schnee. Im nächsten Augenblick steckten wir mitten in einem schweren Unwetter. So schnell wir konnten, kämpften wir uns wieder den Abhang hinauf; gerade als das Unwetter sich zu einem

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