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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Nachhauseweg her. Der Paul war ganz tiefsinnig und gab fast gar keine Antwort auf die Reden, die ihm angeboten wurden. Erst am Tor seiner elterlichen Wohnung schien er sich auf das Versäumte zu besinnen.
    „Geht heim und holt euer Vesperbrot“, befahl er. „Nachher kommt ihr nach dem Sandloch und bringt die Gewehre mit; wir machen Räubers!“
    Langsam, als sei der Weg ein schwerer für ihn, ging er nach der Stube. Das Gesinde saß beim Nachmittagskaffee; am Fenster arbeitete eine Näherin emsig an einem buntseidenen Rock, und inmitten des Zimmers standen zwei riesige Backtröge auf vier Stühlen. Die Bäuerin hatte übermorgen Hochzeit; drum gab es jetzt zu backen und so viel zu schanzen und zu schaffen, daß man den Schweiß, der ihr auf der Stirn stand, recht wohl begreiflich finden mußte.
    Sie war ein schönes Weib. Die dichten, pechschwarzen Flechten hatten sich gelockert und hingen ihr lang über den Nacken herab; das Gesicht war voll und frisch, wie das eines jungen Mädchens; die dunklen Augen blitzten mit lebhaftem Feuer unter den beredten Wimpern hervor; die kirschroten Lippen ließen beim Sprechen zwei Reihen kleiner, glänzend weißer Zähne erblicken, und wie sie hoch aufgeschürzt und mit emporgestreiften Ärmeln so vor dem Teig stand und gewandt und kräftig mit den schweren Gefäßen spielte, hätte selbst der schmuckste Jungbursche nicht so leicht das Auge von ihr wenden können.
    „Mutter, ich habe Hunger“, bat schüchtern der Kleine.
    „Hab keine Zeit für dich, du Strolch!“ antwortete sie in einem Ton, als habe ein fremdes Bettelkind sie angesprochen. „Wart bis zum Abend, und geh jetzt gleich hinaus; hier findest du keinen Raum.“
    Der Knabe warf einen langen Blick auf die großen Schüsseln voll Rosinen, Butter und sonstigen Backerfordernissen, welche so appetitlich vor ihm standen und sah dann sehnsüchtig nach dem Tisch hinüber.
    „Komm her, Paul“, meinte leise eine der Mägde; „hier hast du ein Stück Brot!“
    Er nahm die trockene Schnitte mit dankbarem Lächeln in Empfang und schickte sich an, die Stube zu verlassen, kehrte aber noch einmal zögernd um.
    „Mutter, der Herr Lehrer sagt, ich muß gewaschen werden und gekämmt. Auch das Kleid ist zerrissen. Ich darf so nicht wiederkommen.“
    „Was sagte der Lehrer?“ fragte sie, zornig aufblickend. „Willst du gleich hinaus und dich von ihm selber balsamieren lassen. Mir fehlt es grad noch, daß ich mich mit dem Schmutzvolk abzugeben habe!“
    „Ich bin der Struwwelpeter geschimpft worden auf der Gasse!“ wagte er, hinzuzufügen.
    „Das bist du auch richtig, du widerwärtiger Fink! Geh fort; ich schäme mich, wenn ich dich nur seh!“
    Er blickte verlegen vor sich nieder und schlich sich dann nach dem Ofen, hinter welchem der Kamm zu finden war.
    „Was willst du da hinten? Willst wohl auch noch den Kamm verschimpfieren und zerbrechen? Mach dich nur schnell hinweg, sonst sorg ich für flinke Beine!“
    Mit drohend erhobener Hand trat sie auf ihn zu. Er floh bis an die Tür, wo er im Gefühl des Unrechts, welches ihm geschah, die mutige Bemerkung machte:
    „So geh ich zur Großmutter. Die Lindenbäuerin wird mich waschen!“
    Er kam nicht zur Tür hinaus. Sie war rasch auf ihn zugetreten und schlug ihm die vom Teige beklebte Hand in das Gesicht, daß er kopfüber zu Boden stürzte.
    „Was willst du tun? Zum Lindenhof willst du gehen, zur alten Fährmannshexe, und dich von der schönen Minna streicheln lassen? Hier hast du eins; das ist genug für dich! Nun leck den Teig ab; weiter bekommst du doch nichts zur Hochzeit! Und wenn ich höre, daß du wirklich dort gewesen bist, so nehm ich dich noch anders vor!“
    Sie öffnete die Tür und stieß ihn hinaus, daß er an die gegenüberliegende Wand taumelte und auf die harte Steinplatte niederstürzte. Er raffte sich lautlos wieder empor und hinkte nach dem Stall, in dessen hinterster Ecke sich ein Lager von Strohgewirr befand, unter welchem er seine Schulrequisiten verbarg. Nachdem er sein Stückchen Brot mit sichtlichem Appetite verzehrt hatte, zog er aus dem Stroh einen hölzernen Säbel, welchen er umgürtete, und eine Flinte hervor, schwang sie mit selbstbewußter, trotziger Miene auf die Schulter und marschierte dem Ort zu, nach welchem er die Spielkameraden bestellt hatte.
    Sie waren schon in voller Tätigkeit und hatten sich in Räuber und Soldaten geteilt, welche ersteren von den letzteren gefangen genommen werden mußten. Die Verbrecher waren bisher im Nachteil

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