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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und die anderen alle, den Herrn Pastor ausgenommen. Du und ich, wir sind es gar nicht wert, daß er sich überhaupt mit uns abgibt. Und gar heiraten? Das würde ja genau so sein, als ob zwei Salatpflanzen sich einbildeten, es werde ein Bräutigam kommen und eine von ihnen als Rose an seine Brust stecken! An eine solche Stelle gehört das Allerbeste, was es nur geben kann. Du hast dir eingedünkelt, das zu sein, ich aber nun und nimmermehr! Und ihn mir schenken, und ich ihn nehmen? Oder gar du ihn wegwerfen, und ich ihn aufheben, etwa wie einen Ball, der mit sich spielen lassen muß, wie es beliebt? Das ist eine Dreistigkeit, die er sich ganz gewiß verbitten wird, und ich verbitte sie mir auch! Er ist für mich ebenso unerreichbar wie für dich, und darum habe ich ihn mir mit keinem einzigen Gedanken jemals eingebildet; aber ich sage dir trotzdem, daß nicht einmal meine Ziege etwas nehmen würde, was Fräulein Rosalia weggeworfen hat, viel weniger das Herzle. Da hast du es!“
    Nämlich das Karlinchen hatte zwar die Mutter um die Semmel angemeckert, war aber nicht allsogleich verstanden worden. Das war ihr ganz von Natur aus in die Hörner gestiegen. Da man aber auf keinen Fall die eigene Herrin mit ihnen bearbeiten kann, so nahm sich das schnell entschlossene Karlinchen eine angenehme Verwechslung der Personen vor. Sie holte wütend aus, rannte das Bergle hinab, wo durch die Abschüssigkeit des militärischen Geländes der Angriff sehr an Vehemenz gewann, und fuhr dem Fräulein Rosalia derartig von hinten in die Beine, daß die Mustertochter sofort zunächst auf die Ziege und dann gar auf die Erde zu sitzen kam.
    „Hinterlistige Bestie!“ schrie sie zornig. „Hebe mich auf, Herzle. Da, faß mich bei den Händen!“
    „Du hast soeben gehört, daß ich nichts von dir aufhebe, am allerwenigsten dich selbst!“
    Bei diesen Worten drehte sie sich um, ließ sie sitzen und ging das Bergle hinauf zur Mutter. Das Karlinchen hatte sich die Wut aus den Hörnern gestoßen und befand sich also wieder in loyaler Stimmung. Sie folgte ihr, sah sie oben fragend an und bekam also ohne weitere Supplik die jetzt sehr wohlverdiente Semmel. Fräulein Rosalia aber richtete sich mit Unterstützung des gleich neben ihr stehenden Rettichbirnbaums langsam wieder auf, strich die Falten ihres rot und gelb gewürfelten Poil-de chèvre-Rocks glatt und hinkte mit sich selbst teils wohl-, teils unzufrieden, hinterdrein. Oben angekommen, machte sie einen weiten Bogen um das Karlinchen herum und sagte:
    „Ich würde sogleich wieder fortgegangen sein, wenn ich nicht etwas sehr Wichtiges zu sagen hätte. Nämlich das Zeug zum neuen, seidenen Kleid ist da. Und als sie mir den fast ganz toten Vater in das Haus brachten, da bin ich gleich wieder in die Stadt gefahren und habe mir die schwarzen Trauerstoffe geholt. Das gibt drei andere, neue, dunkle Kleider, ohne die Schleier, die Hüte und das Schulterumgehänge aus Trauerflor. Du hast keine Zeit, das alles zu machen, Herzle, und doch muß es schnell fertig sein. Denn was soll denn werden, wenn der Vater vollends stirbt, und ich habe nichts auf dem Leib, um zu zeigen, daß ich darüber betrübt und wehklagend bin! Darum habe ich mir zwei Näherinnen aus der Stadt bestellt. Die sind vorhin angekommen. Aber ich habe gleich gemerkt, daß sie nicht wissen, wie sie es mit einer richtigen Trauer anzufangen haben. Ich möchte also, daß du kommst und die Aufsicht übernimmst. Hast nur die Angaben zu machen. Kannst deine Klöppelei mitbringen und an den Spitzen arbeiten, wirst aber doch bezahlt, als ob du für mich arbeitest. Das ist doch nobel von mir. Nicht?“
    „Wie steht es mit deinem Vater?“ fragte das Herzle, ohne auf die letzten Worte einzugehen.
    „Der liegt in seiner Stube.“
    „Und du bist bei ihm, um ihn zu pflegen?“
    „Ich? Wo denkst du hin! Was sollten die Gäste sagen, wenn ich nicht immerfort bei ihnen säße? Es würde bald keiner mehr kommen. Das ist eine Not! Und dabei die schwere Sorge um die Kleider! Als die Anführerin der Festjungfrauen muß ich doch etwas so ganz Apartes haben. Und wo bekommt man das her, wenn man nicht immerfort darüber nachdenkt? Und beim Begräbnis des Vaters bin ich doch ebenfalls die Hauptperson, die einen Anzug haben muß wie keine andere. Ich sinne mir beinahe die Gedanken aus dem Kopf! Der Vater aber liegt in seinem Bett und tut ganz gleich dazu, was um ihn geschieht. Ich glaube, dem ist es ganz egal, ob der Sarg schwarze oder silberne Beine hat.

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