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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ich habe aber goldene bestellt. Die kosten nur zwei Taler mehr als silberne. Der Knecht geht täglich dreimal zu ihm hinauf, früh, mittags und abends, um nachzusehen, wie es mit ihm steht. Auch der Pfarrer war schon zweimal da. Das ist doch Zuspruch und Besuch genug!“
    „Was sagt der Arzt?“
    „Der schüttelt den Kopf. Er meint, das sei ein ganz eigener Fall, mehr seelisch, als wohl körperlich, weil der Vater nicht aufwache und die Augen nicht öffne, aber immerfort leise vor sich hinspreche. Es sei möglich, daß er wieder gesund werde; nun, da hebt man sich die Trauerkleider eben für später auf; aber da sein müssen sie für alle Fälle. Viel wahrscheinlicher aber werde er sterben. Der Schlag mit dem Querholz sei höchst lebensgefährlich gewesen. Die Betäubung werde langsam in den Tod übergehen. Der Doktor widerspricht sich überhaupt. Ich möchte keinen Arzt zum Mann haben! Es ist zwar sehr schön, daß man den Mann da nicht den ganzen Tag vor den Augen haben muß, aber wer nicht einmal weiß, wie er mit einem Kranken daran ist, wo soll der das Geschick dann hernehmen, einen gesunden Menschen oder gar eine junge Frau Doktorin zu behandeln! Also, du kommst Herzle?“
    „Eigentlich habe ich keine Zeit dazu; ich werde es aber dennoch tun, wenn ich einen Wunsch haben darf.“
    „Welchen?“
    „Ich komme nur dann in die Nähstube, wenn ich dort etwas anzuordnen habe, sonst aber sitze ich droben bei deinem Vater!“
    Da stand die Mutter auf, ging auf die andere Seite des Tisches zu ihrem Herzle hinüber, gab ihr einen Kuß auf die Stirn und kehrte dann an ihren Platz zurück. Das tat sie, ohne ein Wort dazu zu sagen. Fräulein Rosalia aber sprach:
    „Das ist wieder eine deiner Mucken, die kein anderer Mensch begreifen kann. Ich will dir aber deinen Willen tun, weil ich weiß, daß sonst nichts Richtiges aus den Kleidern wird. Denke aber nicht etwa, daß ich zu dir und ihm hinaufkomme! Es ist mir ganz unmöglich, bei jemand zu sein, der krank ist. Das stößt mich ab; da werde ich selber krank! Ich habe mich zu erhalten! Mußt aber sobald wie möglich kommen. Ich warte schon jetzt auf dich!“
    „In einer halben Stunde bin ich drüben.“
    „So gehe ich jetzt voraus. Haltet die Ziege fest, damit sie mich nicht wieder stößt!“
    „Habe keine Sorge! Gehen läßt sie dich gern; nur das Kommen kann sie nicht leiden.“
    Als das Karlinchen sah, daß Fräulein Rosalia sich entfernen wollte, senkte sie den Kopf, schielte ihr warnend in das Gesicht und zeigte ihr die Hörner. Das bedeutet im erzgebirgischen Dialekte ungefähr soviel wie: „Mach' dich fort, und laß dich ja nicht wieder sehen, sonst setze ich dich abermals auf deinen bunten Poil-de-chèvre-Rock!“
    Das Herzle hielt Wort. Nach einer halben Stunde war sie drüben im ‚Etablissement‘. Und nach wieder einer halben Stunde trat sie mit ihrem niederländischen Klöppelkissen, welches bekanntlich nicht rund, sondern viereckig ist, in die Stube des Musterwirts. Dort zog sie sich ganz, ganz leise den Tisch an das Fenster und legte das Kissen darauf. Nachdem sie ebenso leise einen Stuhl herbeigeholt hatte, schlich sie sich auf den Zehen zu dem Kranken hin, um ihn zu betrachten. Sein Kopf war verbunden, der Verband vollständig trocken. Die Lippen bewegten sich, als ob sie sprechen wollten und doch nicht könnten. Da ging sie fort und holte Wasser. Sie nahm den Verband ab, befeuchtete ihn und legte ihn dann wieder auf. Kaum hatte sie das getan, so ging in den Zügen des Musterwirts eine Veränderung vor. Er lächelte; das berührte sie; sie hatte das Richtige getroffen.
    Hierauf kehrte sie nach dem Tisch zurück und begann zu klöppeln, möglichst leise. Es war so still, so ruhig in dem Raum. Das Geräusch der Straße und der rücksichtslosen Geschäftigkeit drang nicht herauf. Die in den beiden kleinen Händchen sich bewegenden Klöppel klangen aneinander, als ob unsichtbare Engel Kastagnetten spielten. Zuweilen ruhten sie für kurze Zeit, nämlich wenn das Herzle an dem Bett stand, um den Verband wieder anzufeuchten.
    Es war beim vierten oder fünften Male, daß sie das tat, da öffnete er die Augen zum ersten Mal, seit er sich hier befand. Er sah sie lange, lange an, erst ohne allen Ausdruck; dann aber trat das Leben langsam in die Augen.
    „Gib mir Wasser!“ flüsterte er.
    Das klang, als ob in seinem Innern alles trocken sei. Sie holte einen Löffel, schob ihm die Hand unter den Nacken und flößte ihm die kühle Flüssigkeit in den durstig

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