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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er ihm, trat in das jetzt offene Haus und stand nun hart hinter ihm, mit neugierigem Blick jeder seiner Bewegungen folgend.
    Das Paket war geöffnet; es enthielt eine Anzahl Kassenscheine und einen Schlüssel mit altertümlich geformtem Handteil. Bei diesem Anblick traten die Gedanken von vorhin wieder vor die Seele des Beamten, und mit einem raschen Griff hielt er die Gegenstände in seiner Hand. Dabei fragte er den so schnell Überraschten:
    „Der Herr Bräutigam hat es ja mit recht sonderbaren Uhrgewichten zu tun! Wie kommen Sie in diese Kleidung und hierher, da ich doch befohlen habe, daß niemand Ihren Hof verlassen soll?“
    Fährmann hörte diese Worte und hatte ebenso deutlich den Schlüssel erkannt. Seine gefahrvolle Lage war vergessen; er schwang sich über den Zaun, eilte um die Ecke des Hauses und trat ein. Er kam gerade zur rechten Zeit. Der Husar hatte sich auf den Gendarm geworfen und diesen, dem der Degen im Weg war und dessen Sporen sich in der alten Stubendecke verwickelten, zur Erde gerissen. Er kniete auf ihm, hielt ihn mit der Linken bei der Kehle gefaßt und langte mit der Rechten nach dem nahestehenden Ofen, an welchem ein Beil lehnte. Das war so schnell gegangen, daß keiner von beiden einen Laut von sich gegeben hatte.
    Auch der Flüchtling sprach kein Wort; er hätte in diesem Augenblick die Stärke eines Simson entwickeln können, faßte den Verführer seines Weibes beim Nacken, riß ihn hintenüber und hielt ihn fest, bis der Beamte sich erhoben hatten. Als dieser die Anstaltskleidung erkannte, schien er einen Moment lang vollständig verblüfft, begriff die Szene dann aber desto schneller, zog einen Handriemen aus der Tasche und fesselte mit Hilfe seines Retters den übermannten Gegner. Dann schob er rasch den Riegel vor die Tür und fragte:
    „Sie sind Nummer hundertneunzig, oder vielmehr der Ökonom Fährmann von hier?“
    „Ja“, antwortete dieser.
    „Sie sind mein Gefangener!“
    „Ich habe nichts mehr dagegen, weil ich bald ganz frei sein werde, denn jetzt kann ich beweisen, daß ich unschuldig verurteilt bin!“
    „Wieso?“
    „Das ist mein Geldschrankschlüssel, der hier in der Stube liegt. Ich dachte, ich hätte ihn verloren, aber nun sehe ich, daß der Reiter-Kurt ihn mir gestohlen hat, und das Papiergeld dazu. Darf ich die Nummern sehen?“
    Der Beamte nahm die ihm während des Kampfes entfallenen Kassenscheine von der Diele auf, warf einen eigentümlich-forschenden Blick auf ihn und las dann die Nummern vor.
    „Sie sind's! Sie folgen nach der Reihe und sind mir bei der Verhandlung vorgelesen worden!“ rief Fährmann mit unbeschreiblicher Freude. „Nun weiß ich alles, wie's gegangen ist! Der Kurt ist in meinem Schrank gegangen, hat im Buch meine Ziffern umgewandelt, und die Summe, die ich ihm geliehen habe, in dem gestohlenen Geld vorgezeigt. So hat er mich ins Zuchthaus und von der Frau gebracht und wäre beinahe noch der reichste Bauer im Dorf geworden! Sag's Spitzbube, ist es so? Hier kann kein Leugnen retten!“
    Der Gefragte antwortete nicht. Er war von dem plötzlichen Wechsel seines Schicksals vollständig betäubt. Der Gendarm öffnete das Fenster und stieß einen lauten schrillen Pfiff aus. Dann fragte er:
    „Sie sind entsprungen, um Ihr Kind zu sehen, Fährmann?“
    „Nur allein deswegen“, nickte dieser.
    „Ich habe nicht über Sie zu entscheiden und muß Sie nach dem Kleid behandeln, welches Sie tragen. Aber sie haben mir einen großen Dienst geleistet, den ich Ihnen nicht vergessen werde. Ich bringe Sie nach der Anstalt zurück, gebe Ihnen aber die Erlaubnis, bei Ihrem Knaben sein zu können, bis ich hier meine Pflicht getan habe. Ja, meine Herren“, wandte er sich zu den durch den Pfiff herbeigerufenen Untergebenen, welche soeben in die Stube traten, „zwei Fliegen mit einem Schlag. Die eine halten wir fest, die andere aber werden wir in kurzem vielleicht wieder freigeben müssen!“
    Nachdem er ihnen eine flüsternde Erklärung gegeben hatte, wandte er sich wieder zu Fährmann:
    „Gehen Sie jetzt mit diesem Herrn! Ich bin überzeugt, daß wir Sie nicht zu fesseln brauchen. Sie können mit den Bewohnern des Lindenhofs ungeniert verkehren, doch wird Ihr Begleiter nicht von Ihrer Seite weichen!“
    Als die beiden bei der Lindenbäuerin eintraten, erschrak sie auf das heftigste; doch gaben ihr die Worte Fährmanns bald die volle Ruhe wieder:
    „Minna, höre, der Reiter-Kurt ist's gewesen, der mein Geld gestohlen hat! Ich habe ihn jetzt mit gefangen

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