73 - Der Dukatenhof
genommen und werde in kurzer Zeit frei sein! Grüß Gott, Mutter!“
Er drückte sie beide an sein frohbewegtes Herz und eilte dann zu seinem Knaben. Dieser saß wach im Bett und hatte seine große Flinte vor sich liegen.
„Vater!“ rief er jubelnd, als er ihn erblickte, und streckte ihm die beiden Ärmchen entgegen. „Vater, mein lieber Vater, bist wieder da?“
„Ja, da bin ich und gehe nur einmal noch ein klein wenig fort!“ antwortete er, ihn an sich drückend.
„Hast's wohl gehört, daß ich dich gerufen habe?“
„Freilich habe ich's vernommen! Tut dir dein Kopf sehr weh?“
„Nein, jetzt nicht mehr. Die Minna hat mir Salbe aufgelegt. Sie ist so gut, besser als die Mutter. Sie soll meine Mutter sein; sie hat mich schon gefragt, ob ich sie will!“
Die glücklichen Leute hatten vollständig Zeit, sich auszusprechen, denn es vergingen mehrere Stunden, ehe der Obergendarm erschien. Er betrachtete die Gruppe mit teilnehmendem Blicke.
„Fährmann“, meinte er, „jetzt bin ich überzeugt, daß Sie unschuldig sind. Der Husar hat alles eingestanden. Er hat Sie aufs Zuchthaus bringen wollen, damit Ihre Frau einen Scheidegrund habe. Er hat ohne Ihr Wissen auf dem Hof Zutritt gehabt, den Schlüssel weggenommen, später die achthundert Taler gestohlen und während Ihrer Abwesenheit im Buch aus einer fünf eine drei, und aus einer sieben eine eins gemacht, so daß die acht herausgekommen ist. Ich war mit ihm im Fährmannshof und auch beim jetzigen Kassierer. Das Buch ist noch vorhanden; er hat die Radierung als sein Werk anerkannt und befindet sich schon nach dem Gefängnis unterwegs. Auch Sie werden jetzt aufbrechen, doch will ich dafür sorgen, daß es nicht auf lange ist!“
Die Anstaltsglocke gab soeben das Zeichen, daß die Gefangenen sich zu erheben hatten, als in früher Morgenstunde der Flüchtling wieder eingeliefert wurde. Und wer heute nach Oberdorf kommt und den reichen Lindenbauer fragt, der kann erfahren, daß er schon am Abend wieder daheim gewesen ist bei seinem Knaben, der ihn auf so wunderbare Weise gerettet hatte.
Der Einsiedel
„Reißt aus, reißt aus, der Teufelsbauer kommt!“ rief es unter einem Trupp von Schuljungen, welche sich mit ihren Spielen auf der Dorfstraße breitgemacht hatten, und kaum war der ängstliche Ruf erschollen, so stob die Schar lautlos nach allen Richtungen auseinander.
„Macht rasch die Türen zu, und schlagt drei Kreuze; der Einsiedel geht durchs Dorf!“ klang es in den Häusern.
Die Fenster und Türeingänge wurden verschlossen, und nur verstohlen lugten die Köpfe der Neugierigen nach dem Mann, dessen bloßes Erscheinen die abergläubischen Dorfbewohner in Furcht zu setzen vermochte.
Es war eine lange, breitschultrige Gestalt, welche langsam dahergeschritten kam, den Blick finster zur Erde gesenkt und scheinbar gleichgültig gegen die verletzenden Demonstrationen.
Aus dem Fenster eines Hauses, neben dessen Tür auf blechernem Schild das Wort ‚Ortsrichter‘ zu lesen war, schaute ein kleines, hageres und spitzes Gesicht hervor.
„Tannenbauer“, tönte es schnarrend zwischen den schmalen, breitgezogenen Lippen hervor, „geh doch nicht durchs Dorf, sondern lauf lieber dahinter weg. Du weißt schon, warum!“
Der Angeredete tat, als habe er die Beleidigung nicht vernommen, und setzte ohne Zögern seinen Weg weiter fort.
Unter dem Torweg eines der größeren Güter lehnte ein hagerer, aber sehnig gebauter Mann, dessen kleine, grünlich schimmernde Augen unter den haarlosen und eigentümlich zwinkernden Lidern hervor neugierig die Straße beobachteten. Als er den Kommenden erblickte, fuhren die eng zusammengezogenen Züge überrascht auseinander, und mit gehässigem Grinsen murmelte er vor sich hin:
„Der Teufelsbauer vom Tannenhof! Was muß denn den heute zum Sonntag aus seiner Satansklause hervorgetrieben haben? Wenn der sich sehen läßt, so gibt es sicher ein Unglück im Dorf. Wart', ich fürcht' mich nicht vor ihm und werde ihm gleich zeigen, daß ich noch immer der alte bin!“
„Lebst du denn wirklich noch, Haubold Frieder?“ fragte er mit absichtlich erhobener Stimme, damit man ihn in der Nachbarschaft hören könne. „Hab' gedacht, daß du längst mit dem Leibhaftigen fortgeflogen bist! Aber sag' doch mal, wie war denn eigentlich damals die Geschichte mit meinem Bruder? Bist wohl nicht mit dabei gewesen?“
Haubold zog die Brauen enger zusammen, senkte den Kopf noch tiefer und würdigte auch diesen Zuruf keiner Antwort. Als er
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