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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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‚Vorwärts‘-Redakteur hatte es damals folgende Bewandtnis:
    Lebius hatte den ‚Vorwärts‘ wegen Beleidigung verklagt, und der ‚Vorwärts‘ hatte mich natürlich ohne erst viel zu fragen, als Zeugen angegeben. Das Gewissen des Lebius' sagte ihm, daß er von diesem Zeugen wohl nicht viel Freundliches zu erwarten habe. Ja, es kam ihm sogar der Gedanke, daß ich von dieser Zeugenschaft schon im Café Bauer gewußt habe. Das erzürnte ihn. Er schickte seine Frau zu meiner Frau nach Radebeul, um mir zu drohen. Meine Frau wünschte diese Zusammenkunft in meinem Haus; aber darauf ging Frau Lebius nicht ein. Die beiden Frauen trafen sich im Restaurant unseres Bahnhofs. Dort wollte Frau Lebius uns im Auftrag ihres Mannes vorschreiben, was und wie ich als Zeuge auszusagen habe. Insonderheit sollte ich vor Gericht erklären, daß er jene drohende Postkarte vom 7. September in Dresden nicht geschrieben habe. Tue ich das nicht, so müsse er den alten Kampf gegen mich von neuem beginnen. Meine Frau lehnte das ganz entschieden ab, denn wir waren jetzt mehr als je überzeugt, daß er der Verfasser sei. Seine Frau kehrte also unverrichteter Sache nach Berlin zurück.
    Als Lebius diesen Versuch mißlungen sah, beschloß er, mich eidesunwürdig zu machen, und zwar durch eine Broschüre, die noch vor dem Termin, an dem ich als Zeuge aufzutreten hatte, herausgegeben werden mußte. Da aber diese Broschüre, wenn sie wirken sollte, derart abzufassen war, daß sie ganz unbedingt eine Bestrafung des Verfassers nach sich zog, die Lebius von sich abwenden wollte, so sah er sich nach einem Strohmann um, der ihn und Karl May noch nicht kannte und unerfahren, vertrauensselig und bedürftig genug war, sich für einige Hundert Mark völlig ungeahnt in die ganz sicher zu erwartende Gefängnisstrafe stürzen zu lassen. Er fand ihn in einem gewissen Herrn F.W. Kahl aus Basel, zog ihn in sein Netz und umspann ihn derart mit Selbstvergötterungs- und Lügenfäden, daß der junge, völlig ehrliche Mann es fast für eine Ehre hielt, sich in den Dienst eines so bedeutenden, geistig, sozial und auch juristisch hervorragenden Mannes stellen zu dürfen.
    Lebius ging, wie überhaupt und immer, auch hierbei außerordentlich schlau und raffiniert zu Werk. Er verschwieg anfänglich, daß es sich nur um eine Broschüre gegen mich handle. Er machte dem jungen Manne weis, daß er ein wissenschaftliches Werk über berühmte resp. berüchtigte Männer schreiben solle. Er nannte ihm die Namen derselben; darunter befand sich auch der meinige. Aber als Kahl sich an das Werk machte und täglich seine Instruktionen erhielt, lauteten diese so, daß nach und nach alle diese ‚Berühmten und Berüchtigten‘ verschwanden und nur Karl May allein übrig blieb. Aus dem ‚wissenschaftlichen‘ Werk aber sollte ein Pamphlet allerniedrigsten und allergefährlichsten Ranges werden. Kahl erkannte das von Tag zu Tag immer deutlicher. Er begann zu ahnen, daß er mit aller Liebenswürdigkeit in das Verderben geführt werden solle. Als er das Herrn Lebius zu verstehen gab, hielt dieser es für geraten, ihm den ganzen Zweck der Broschüre einzugestehen. Er gab folgendes zu:
    Lebius hat den Redakteur des ‚Vorwärts‘ wegen Beleidigung verklagt.
    Der ‚Vorwärts‘ hat Karl May als Zeugen gegen Lebius angegeben.
    Darum ist es für Lebius notwendig, Karl May kaputt zu machen.
    Um das zu erreichen, gibt er die hier in Arbeit liegende Broschüre heraus.
    Der Termin, in dem Karl May als Zeuge verhört wird, findet anfangs April statt.
    Darum muß die Broschüre ganz unbedingt bis zum 1. April fertig zum Versenden sein.
    Wenn die Broschüre erst später fertig wird, hat sie keinen Zweck; dann braucht man sie überhaupt gar nicht erst zu schreiben.
    Sie wird an die Zeitungen versandt, die darüber berichten. Das soll auf die Richter wirken.
    Sie wird auch den Richtern direkt vorgelegt. Sobald dies geschieht, ist May als Zeuge kaputt.
    Als der ehrliche, junge Mann das hörte, wurden seine Bedenken noch größer, als sie vorher gewesen waren. Als er diese äußerste und seiner Besorgnis, gerichtlich bestraft zu werden, Ausdruck gab, stellte Lebius ihm folgendes vor:
    Wir Schriftsteller stehen überhaupt und stets mit einem Fuß im Gefängnis.
    Bestraft zu sein ist für uns eine gute Reklame. Auch ich bin schon oft vorbestraft.
    Sie brauchen sich vor dem Gericht gar nicht zu fürchten. Sie sind noch nicht vorbestraft, Sie dürfen schwören. May aber darf nicht schwören.
    May steht

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